Das wird Stephan B. aus Z. freuen, ein neuer Gin mit dem Namen eines Schweizer Gelehrten, Albrecht von Haller, geboren am 16. Oktober 1708 in Bern, ebenda am 12. Dezember 1777 verstorben. Zwischenzeitlich war von Haller viel unterwegs, studierte Naturwissenschaften in Tübingen, promovierte in Leiden, kehrte zurück in die Schweiz, dichtete das Monumental-Gedicht „Die Alpen“ in 490 Alexandrinern, wechselte 1736 ins Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg an die neu gegründete Universität Göttingen auf den Lehrstuhl für Anatomie, Chirurgie und Botanik, wurde von Kaiser Franz I in den Adelsstand erhoben (ein Eidgenosse der in Braunschweig von einem Habsburger geadelt wird – das entbehrt nicht einer gewissen komischen Ironie), von Haller gründete in Göttingen den Botanischen Garten, der bis heute existiert und der von einem Gartenkustos (Curator) der Georg-August-Universität Göttingen betreut wird. Grünzeugs in einem Botanischen Garten (der Gartenkustos Dr. Michael Schwerdtfeger wird mich für diesen ungebührlichen Ausdruck gewiss verwünschen) ist ja ganz schön und nett, für den Laien hübsch anzuschauen, dazu der Forschung selber und der Ausbildung junger Wissenschaftler gewiss dienlich, aber das war’s dann in der Regel auch schon. Nicht so in Göttingen. Hier hat sich die Präsidentin der Universität höchstpersönlich mit dem – ebenfalls altehrwürdigen – Haus von Hardenberg, wo schon Schnaps gebrannt wurde, als der Göttinger Botanische Garten noch Acker war, zusammengetan, um einige Kräutlein aus dem Universitätsgarten für die Gin-Produktion beizusteuern. Bis dato hatte die Gräflich Hardenbergsche Brennerei (heute heißt sie nach dem Aufkauf der größten Schnapsbrennerei in der Zone prosaisch Hardenberg-Wilthen AG) keinen eigenen Gin im Angebot (obwohl derzeit doch wohl jeder, der eine Brennblase sein Eigen nennt, Gin „braut“, und selbst die, die keine Brennblase haben, lassen irgendwo brennen und nennen es dann ihren eigenen Gin), nur einen Wacholder (früher – glaube ich mich zu entsinnen – gab es auch mal einen Doppelwacholder), und der ist halt nur ein dünner Wacholder-Schnaps und kein Gin. Im vergangenen Jahr tat sich der junge Graf Carl von Hardenberg mit dem Göttinger Botanischen Garten und der irischen Schnapsdestille „The Shed Distillery“ im entlegenen Drumshanbo zusammen, wo der der Gin in herkömmlichen Kupferkesseln gebrannt wird. Sogar eine eigene Gesellschaft wurde für die Gin Produktion geschaffen, die alte Hardenberg Weinkontor GmbH wurde umfirmiert in die Freigeist Kontor GmbH, die im Vorderhaus des Hardenberg‘schen Stammschlosses in Hardenberg residiert; vertrieben allerdings wird der Gin ganz profan über die Hardenberg‘schen Marketing-Kanäle. Herausgekommen ist bei all dem „Von Hallers Gin“, kein falscher Apostroph, kräftige 44%, Kalmus (ganz eine kuriose Pflanze, ursprünglich aus Asien stammend, vom Sultan Süleyman dem Prächtigen in Europa eingeführt, auch als „Deutscher Ingwer“ bekannt, das Kauen der Wurzel führt zu leichten Halluzinationen, unterliegt aber lt. Urteil des EuGH vom Juli 2014 nicht dem Betäubungsmittelgesetzt, und in Coca Cola ist sie auch enthalten) sorgt für einen leichten Geschmack nach Ingwer, weitere Geschmacksgeber sind Zitronenverbene und eine nach von Haller benannte Baumfuchsie namens „Halleria lucida“. Die „kräftige Wacholder-Note“, die sich in verschiedenen Tasting-Notizen findet, konnten wir jedenfalls nicht schmecken, der Wacholder hält sich hier eher dezent im Hintergrund.
Von Hallers Gin funktioniert ganz famos im Martini Cocktail, fast kann man die obligatorische Zitronenschalen-Zeste weglassen, so zitrus-betont ist die Zitronenverbene. Und bei dem Gin freue ich mich auf den Frühling, zusammen mit einem Fever Tree Tonic und vielleicht einem ersten Zweiglein frischen Thymians als Gin-Tonic auf der Terrasse in der Sonne. Allerdings ist der Gin mit 60 EURO für den Liter sehr sportlich bepreist, aber das macht man heute wohl so …