Rinderrouladen sind ein Schmorgericht, das braucht Zeit und keine hohen Temperaturen, „Blitz-Rouladen“, für die ich jüngst ein Rezept in einer Kochzeitung sah, sind Nonsens. Und aus 500 g Fleisch und einer Handvoll Gemüse eine „göttliche Soße“ (ebd.) zaubern können zu wollen, das ist schlichtweg ein Lügenmärchen. Nicht immer hat Georgette Dee Recht, wenn er/sie/es singt „Mehr ist mehr!“, aber bei Schmor-Saucen stimmt das wohl schon ….
Zutaten:
- 4 dünne Rinderrouladen aus der Keule à 200 bis 250 g
- 12 Scheiben Geselchtes oder durchwachsenen Speck
- Mittelscharfer Senf
- Scharfer Senf
- 2 – 3 Gewürzgurken
- 1 Möhre
- 1 Stange Stangensellerie
- Küchenzwirn
- Butterschmalz
- 750 g Markknochen
- 1.000 g Röstgemüse (Möhre, Stangen- und Knollensellerie, Zwiebel, Lauch, Petersilienwurzel)
- 1 Teel. Zucker
- 2 Essl. Tomatenmark
- ½ l schwerer Rotwein
- 150 ml Madeira
- ½ l Bratenfond
- 1 Handvoll getrocknete Steinpilze
- 200 ml Schmand
- 150 ml Süße Sahne
- Pfeffer, Salz, Glutamat
- Lorbeer, Thymian, Wacholder
Zubereitung:
- 1 Möhre, 1 Stange Stangensellerie und Gewürzgurken in dünne Stifte, so lang wie die Rouladen breit sind, schneiden
- Rouladen nacheinander auf einem Brett ausbreiten, leicht plattieren, salzen und pfeffern, mit mittelscharfem und mit scharfem Senf bestreichen
- Auf jede Rouladenscheibe 3 Scheiben Speck oder Geselchtes legen (evtl. Knorpel entfernen und zu den Knochen geben), darauf je ¼ der Streifen von Gewürzgurken, Möhre und Sellerie
- Rouladen an den Seite leicht einschlagen, längs zusammenrollen, mit reichlich Küchenzwirn kreuz und quer umwickeln (fest ist an dieser Stelle wichtiger als schön) und verknoten, überschüssigen Zwirn abschneiden
- 2 – 3 Eßl. Butterschmal in einem großen, schweren Bräter erhitzen (ca. auf 80% der Hitze-Leistung, nicht „volle Pulle“, aber auch nicht „lau“)
- Rouladen im heißen Butterschmalz von allen Seiten in aller Ruhe schön anbraten, bis sie gut gebräunt sind; nur Geduld, dass dauert 20 bis 30 Minuten
- Während dessen Ofen auf 150° vorheizen und Röstgemüse schälen, waschen, in grobe Stücke zerteilen
- Angebratene Rouladen auf einem Teller im Ofen warmhalten
- Nochmals 1 Eßl. Butterschmalz in den Bräter geben, Hitze auf volle Stärke erhöhen
- Markknochen (und evtl. Knorpel vom Geselchten) unter Rühren scharf anbraten; bei der Temperatur dauert das vielleicht 10 bis 15 Minuten
- Nach dieser Zeit Röstgemüse dazu geben und nochmals 15 Minuten unter Rühren rösten lassen
- Tomatenmark unterrühren, kurz mitrösten lassen
- In der Mitte des Topfes den Boden frei machen, 1 Teel. Zucker darauf geben, Zucker karamellisieren lassen
- Bevor der Zucker verbrennt (Achtung, zwischen „Karamellisieren“ und „Verbrennen“ liegen nur ein paar Sekunden!) mit Hälfte des Rotweins ablöschen, gut durchrühren, gesamte Flüssigkeit unter ständigen Rühren verkochen; Prozedur mit anderer Hälfte des Rotweins und dann mit dem Madeira wiederholen
- Wenn der gesamte Wein verdampft ist, mit ½ l Bratenfond aufgießen, evtl. noch etwas Wasser dazu gießen, Gemüse und Knochen sollten knapp von Flüssigkeit bedeckt sein
- Steinpilze, 3 Lorbeerblätter, 11 Wacholderbeeren, ½ Teel. getrockneten Thymian, ½ Teel. schwarze Pfefferkörner, ½ Teel. Salz dazu geben, einmal aufkochen lassen
- Rouladen auf das Knochen-Gemüse-Bett legen, ca. zur Hälfe in das Gemisch hineindrücken
- Topfdeckel auflegen, Rouladen ca. 120 min. bei 150° im Ofen schmoren, nach 60 min. Topf öffnen, durchrühren, Rouladen um 180° wenden, die feuchte Seite nach oben
- Nach 120 min. Topfdeckel abnehmen, Schmand und Sahne dazu geben, durchrühren, Rouladen ca. 10 min. offen schmoren lassen, nach 10 min. nochmals um 180° wenden, weitere 10 min. schmoren lassen
- Rouladen ausstechen, im Backofen warm stellen
- Mark aus den Knochen in die Sauce drücken, Knochen wegwerfen
- Sauce mit Gemüse peu à peu in ein Spitzsieb löffeln, mit einem Stößel in einen frischen Topf drücken, möglichst viel Gemüse mit durchdrücken, um eine natürlich Bindung zu erhalten
- Durchpassierte Sauce nochmals stark aufkochen und unter Rühren um ca. 1/3 reduzieren, bis die Sauce fast schon etwas zu dicklich und sämig ist
- Jetzt geht’s in’s Finish, und beim Sterben und beim Finish, da ist jeder ganz alleine: zuerst sollte man das Süße-Säure-Spiel der Sauce mit wenig Rotwein und wenig süßer Sahne einpegeln, dann mit Glutamat und Salz den Salzpegel einstellen; zum Schluss mit Thymian, Pfeffer, vielleicht etwas wacholdrigem Gin oder einem Gewürz eigener Wahl fine-tunen
Kartoffelbrei – klassisch zu Rouladen – ist fast zu heftig zu dieser Sauce, ich bevorzuge ordinäre Salzkartoffeln aus mehlig kochenden Kartoffeln, die ich mit der Sauce zermatsche, dazu ein Gemüse aus karamellisierten Möhren, gelben und lila Karotten … Kindheit pur.
Lieber Hr. Opl,
da Sie gerne kochen, möchte ich Ihnen einmal ein Rezept aus einem Kochbuch von 1806 nahe bringen. Wie man in amüsanter Art und Weise feststellen kann wurde damals deutlich aufwendiger gekocht.
Rindszunge zuzurichten
Man kocht sie weich, und macht die Souce darüber. Dazu nimt man die Suppe von der Zunge, läßt Zitronenschalen um 1 1/2 xr (vermutlich ein Handvoll) kleine Rosinen, eben so viel länglicht geschnittenen Mandeln, Wein, und wenn es davon nicht sauer genug wird, auch etwas Eßig oder Lemoniensaft, ein Stückchen frische Butter kochen, und gießt ein wenig Zucker und Muskatblüte dazu. Ist die Sooß fertig, läßt man die Zunge darin aufkochen, und giebt etwas geriebene Semmel und eben so viel Mehl, oder welches auch gut ist, geröstete Mandeln hinein. Dazu nimt man um 2 xr ungeschälte Mandeln, rößtet sie braun wie den Kaffee, kratzt die Haut mit einem Messer ab, stößt sie in einem Mörßer, und gießt, wenn sie fein gestossen sind, siedende Suppe darauf. Dann werden sie durch ein Sieb geschlagen, was zurückbleibt stößt man wieder und seigt es mit Suppe durch. Ist die Souce nicht dick genug, giebt man noch etwas Semmelbröseln hinein. Wenn die Zungen angerichtet werden, legt man sie in die Länge zerschnitten neben einander auf die Schüssel, und bestreuet sie mit länglicht geschnittenen Mandeln und Rosinen.