Summa summarum: Selbst wenn italienische Gaststätten in Istanbul nicht zahlreich sind, die Pizzeria Pera zählt mit der Küchenleistung keinesfalls zu den „besseren“ italienischen Restaurants, dieses Essen und diese hygienischen Verhältnisse sind schlichtweg inakzeptabel, auch wenn das Personal durch die Bank weg freundlich und bemüht ist.
Damenhygieneartikel, Windeln und Papierhandtücher sollen nicht in das Klo geworfen werden, belehrt mich ein Schild auf der einzigen Gemeinschaftstoilette tief unten im düstren, engen Keller auf Türkisch und Englisch, ein Ansinnen, dessen Sinnhaftigkeit ich durchaus noch nachvollziehen kann; doch auch Toilettenpapier, zumal gebrauchtes, solle man nicht in das Klosett werfen, und das lässt mich kurz stutzen, bis ich dann den Plastikkübel direkt neben der Kloschüssel wahrnehme, besonders dessen prallen Inhalt und Geruch. Die schmeißen ihr gebrauchtes Klopapier hier tatsächlich nicht ins Klo, und mir wird übel. Dazu passend steht ein zweiter, weitaus größerer und dazu noch offener Kübel mit Müll, Essensresten, Verpackungen im offenen Nachbarkabuff im düstren, engen Keller, neben zwei vereisten, proppevollen Kühltruhen, unter einer metallenen Küchenarbeitsfläche mit einer wuchtigen Schneidemaschine drauf. Dieses Kabuff erklärt auch, warum oben, im Gastraum nur ein primitiv gemauerter Pizzabackofen, eine kleine, hoffentlich gekühlte Theke mit Blechschalen voller vorgeschnippeltem Pizzabelag und ein Arbeitstisch zum Ausrollen und Belegen von Teigfladen sowie eine weitere kleine Getränketheke (dahinter wieder ganz offen reichlich Müll, direkt auf dem Boden) zu finden sind, das Kellerkabuff muss als Arbeitsvorbereitung für die Backstation oben dienen. Denn in den kleinen Gastraum oben passen gerade nochmal 12 Zweier-Tische, und damit ist er rappelvoll und eng, dazu nochmal drei improvisierte Tische auf der engen Gasse vor dem Haus und irgendwo hinten wohl eine Spülküche, an den Wänden wechselnde Gemälde zeitgenössischer Istanbuler Künstler, die man gleich noch käuflich erwerben kann.
Das also ist die Pizzeria Pera, in einer Seitengasse einer Seitenstraße einer Seitenstraße, mitten im lebhaften Beyoglu-Viertel von Istanbul in der seit 2013 angeblich original Italienische Pizzen und anderes authentisches Futter vom Stiefel verkauft werden. Die geballte Schwarmdummheit von Tripadvisor hat dem Etablissement 2016 ein „Certficate of Excellence“ verliehen (was immer das auch sein mag und nach welchen Kriterien das von wem vergeben wird), die Tripadvisor-Community hat den Laden bis heute (23.09.2016) 394 Mal bewertet, davon 313 Mal mit „Ausgezeichnet“, 72 Mal mit „Sehr gut“ und 9 Mal mit „Befriedigend“, keine einzige schlechtere Bewertung, insgesamt soll der Laden das fünfundzwanzig-beste von insgesamt 12.200 bewerteten Restaurants in Istanbul sein. Ha-ha. 166 der Bewertungen sind in Deutsch verfasst, 193 in Englisch, und nur 52 in Türkisch (und rund die Hälfte der Türkischen Bewerter haben nur ein oder zwei Bewertungen insgesamt verfasst – aber Familie muss ja schließlich zusammen halten); in Verbindung mit der praktischen Englisch-sprachigen Speisekarte, dem Englischen Internetauftritt und der zentralen, aber doch etwas versteckten Lage ist die Pizzeria Pera der ideale Anlaufpunkt für Reisevolk, das überdrüssig des Türkischen Essens nach „heimischer“ Kost schreit und sich dafür gehörig über den Tisch ziehen lässt.
Nun gut, die Bedienung ist in der Tat extrem freundlich und flott (aber das ist die Regel in Türkischen Lokalen), es gibt nicht nur eine kleine, lausige Weinauswahl, es gibt sogar Schweinefleisch in Form von Schinken und Würsten auf den Pizzen, auf der Speisekarte mit einem kleinen Schweinchenkopf zur Warnung für Muslime gekennzeichnet. Die Pizzen werden vor den Augen der Gäste frisch ausgerollt, belegt und im kleinen Holzbackofen gebacken, Nudeln, Salate und Desserts kommen von irgendwo her, Salate und Grünzeugs auf den Teigfladen sind zumeist frisch, da beißt die Maus keinen Faden ab. Aber die Qualität der Gerichte, die wir probierten, war bei aller Freundlichkeit und Frische schlichtweg durch die Bank weg unterirdisch. Thunfischsalat als Vorspeise mit gutem Salat, halbierten, wabbligen, übel-schmeckenden schwarzen Oliven, miserabelsten, zerbombten Fetzen von Billig-Thunfisch und zitronensaurem Dressing mit schlechtem Olivenöl; die Focaccia dazu tatsächlich ein Focaccia- und kein Pizza-Teig, aber dann einfach mit säuerlicher, ungewürzter Tomatenpampe aus der Dose bekleckert, keine Spur von einem frischen Kräutlein, nur knuspriger, rasch durchweichender Teig und saure Tomatenpampe. Die Spaghetti alla Bolognese ein zerkochter Nudelbrei mit einer rötlich-gräulichen Soße fragwürdiger Herkunft und noch fragwürdigeren Ingredienzien, dazu wurde vorgeriebener Industrieparmesan gereicht; als wir den Fraß kaum angetastet zurückgehen ließen schaute der ansonsten freundliche Kellner wie ein Auto, so etwas war ihm wohl noch nicht wiederfahren, und auf der Rechnung erschien das Gericht dann auch mit 23 TRY, gut 7 EURO. Pizzen tatsächlich frisch und knuspriger, dünner Boden, darauf Unmengen von Analog-Käse und saurer, ansonsten wieder ungewürzter Tomatenpampe, die Pizza alla Turka noch mit Feta, Mozzarella, Rindswurst, Peperoni und Oliven schmeckte süß und zugleich deutlich nach Curry, die Pizza Prosciutti Mista war zum Glück spärlich belegt mit zu dick geschnittenem, bereits deutlich ranzelnden Prosciutto, dazu das übliche Soßen-, Käse- und Gemüsezeugs.
Pizzeria Pera
Asmalı Mescit Mah. Gonul Sk 6
Istanbul
Beyoglu, 34430
Tel.: +90 (21 2) 2 43 86 43
Internet: http://www.pizzeriapera.com/en/
social@pizzeriapera.com
Hauptgerichte 21 TRY (Penne Arrabbiata) bis 45 TRY (Pizzapera), 3-gängiges Menue von 50 TL bis 95 TRY (1 EURO ~ 3,3 TRY)