Am Wochenende war ich mit Caro im Schwarzwald, des Futters wegen (und anderer Dinge, die hier aber rein gar nichts zur Sache tun), von Freitag auf Samstag speisten und nächtigten wir in einem dieser alten, kleinen, familiengeführten Schwarzwaldhotels, mit ziemlich schönen, modernen Zimmer mit ziemlich gutem Frühstück für weniger als 200 EURO, da kann man nichts sagen, das Abendessen nahmen wir im Hotelrestaurant –mehr noch Gaststube – (Vater und Sohn kochen hier gemeinsam, der Sohn hat bei Bareiss gelernt, aber der Vater bestimmt seit Jahrzehnten eindeutig und unverändert den Kochstil: gut, gehoben, gekonnt und präzise in der Zubereitung, aber erz-konservativ, was beim Kochen ja nichts Schlechtes sein muss, angesichts all der modernistischen Säue, die seit Jahr und Tag durch’s kulinarische Dorf getrieben werden, dazu sehr, sehr zurückhaltend beim Anrichten, weder unstrukturierte, fett dampfende Nahrungsmittelberge noch Diät-heischendes Teller-Ikebana, sondern gut gefüllte und doch hübsch zurecht gemachte Teller halt), wie eigentlich immer in den letzten Jahren eine kulinarische Zeitreise in die Vergangenheit, ohne dry aged, fermentiert, Quinoa, Insekten, Tralala, vegan, molekular, zuckerfrei, sondern richtig gute traditionelle badische Küche mit Bibbeliskäs und hausgebackenem Brot vorweg, einer kleinen, heißen, fluffigen Quiche als Gruß aus der Küche (nein, wir waren nicht bei Vincent Klink), frischen Schnecken (nicht diese harten, winzigen Dosen-Mollusken, sondern dicke, fleischige frische Schnecken) in einer ebenfalls frischen Kräuterbutter zum niederknien, hausgemachte Foie gras mit selbstgemachtem Quitten-Chutney und frisch gebackener Brioche, eine doppelte Kraftbrühe mit kleinen Wild-Maultaschen, frittierte Egli mit selbstgemachter Remoulade, ein paar selbstgemachte Nudeln mit wenig weißen Trüffeln. eingemachtes Kalbfleisch, dann noch ein Fasan ganz unkonventionell mit Brägele, zum Dessert heiße Ofenschlupfer mit Weinschaumsoße, danach exzellente Brände von kleinen badischen Brennereien, deren Namen man noch nie gehört hat, dazu eine Weinkarte, die zum Teil in sehr deutlich vierstellige Preisbereiche geht, die aber auch im zwei- und dreistelligen Segment ausgesprochen Erfreuliches bietet, den 2016er Jaspis Gutedel aus alten Reben von Ziereisen aus Efrigen etwa, ein ganz ein formidabler Wein, der allerdings spätestens dieses Jahr getrunken werden sollte, allein für Wein lassen wir an diesem Abend rund 400 EURO auf dem Tisch liegen, gut 300 nochmals für Speis und Schnaps, und weil’s so schön war und der Service tadellos, einen knappen Hunderter an Trinkgeld, so ist das halt, wenn man mit Caro loszieht, Maßlosigkeit ist ihr zweiter Vorname (während ich ja bekannter Maßen eher zur sparsamen Askese neige, aber man will ja keine Spasßbremse sein).
So weit, so gut. Ich schaue mir Restaurant-Rechnungen ja nur selten genauer an, aber Caro ging den Beleg bei den letzten Schlucken Wein quasi automatisch durch, das ist halt ihr Wesen, Wirtschaftsjuristin eben. Plötzlich kräuselte sich ihre Stirn ärgerlich, ich kenne dieses Kräuseln, in Deckung gehen ist in diesem Falle nie eine schlechte Option. „Die haben ja wohl den Arsch offen!“ Frau Prof. Dr. Dr. sagte tatsächlich „Die haben ja wohl den Arsch offen!“, und das in einer Lautstärke, die gewiss nicht vor den umliegenden Tischen Halt machte. „Dreifünfzig für einen halben Liter Leitungswasser! Jetzt geht’s aber los.“ Ich hatte meine liebe Mühe, Caro davon abzuhalten, schnurstracks in die Küche zu stampfen und den Wirt zur Rede zu stellen. „Bei fast einem Tausender Restaurant-Rechnung sage ich ja gar nichts, wir wussten ja schließlich, was wir da bestellen, und gut war’s obendrein, aber dann noch Dreifünfzig für’s Wasser zu verlangen, das ist Beutelschneiderei!“
Zur Erklärung muss man vielleicht anführen, dass wir es uns zwischenzeitlich angewöhnt haben, in den meisten deutschen Regionen Leitungswasser zu trinken, auch und gerade in Restaurants, die Qualität kann fast immer mit jedem Tafel- und sogar Mineralwasser mithalten; wozu soll man dann den logistischen und ökologischen Wahnsinn des Wasserflaschen Produzierens, Umherfahrens, Abfüllens, wieder Umherfahrens, Recycelns / Reinigens, schon wieder Umherfahrens, … veranstalten, wo doch lokales Wasser aus der kurzen Leitung frisch und in bester Qualität von der lokalen Quelle kommt. Und wenn ein Wirt dieses Leitungswasser dann berechnet, so sollte man zumindest mal darüber diskutieren, nicht nur bei einer Zeche, wie wir sie gemacht haben, sondern prinzipiell.
Einerseits ist mit natürlich bewusst, dass den Wirt auch Leitungswasser etwas – wenngleich nur Cent-Bruchteile – kostet, dass Karaffe und Gläser bezahlt sein wollen, dass es Arbeitskraft und -zeit erfordert, das Wasser abzufüllen, zu Tisch zu tragen, einzuschenken, nachzufüllen, später wieder abzuräumen und die Gläser zu spülen, dass nicht verkauftes Flaschen-Wasser entgangenen Umsatz bedeutet, dass auch der Platz, den ich besetze, seinen Deckungsbeitrag erwirtschaften muss, …
… all dies wohl wissend und in Betracht ziehend: ich bin ja kein Knauser, der zu lediglich einem kleinen Salat auch noch kostenloses Wasser haben will und der den ganzen Abend einen Tisch blockiert, und eigentlich sollte kostenloses Wasser eine Selbstverständlichkeit sein, wenigstens, wenn der sonstige Umsatz stimmt. Punktum.