Dass es überall „Ratsstuben“, „Ratskeller“, „Ratsschänken“ (oder „Ratsschenken“ – der Duden lässt hier beide Schreibweisen zu) gibt, ist irgendwie selbstverständlich für uns, diese Namen suggerieren, dass hier die besseren Herrschaften der jeweiligen Orte, sogar die Räte, von alters her zu speisen und zu zechen pflegten und dass dies bis heute Horte traditioneller gehobener Gastlichkeit seien, gleichwohl die meisten Ratsstuben, -keller, -schänken, die ich kenne, sind Touristen-Nepp-Lokale in bevorzugter Innenstadtlage, aber einerlei. Nun begab es sich aber, dass ich durch’s tiefste Thüringen fuhr, und dort, in einem Städtchen ausgerechnet mit dem Namen Crawinkel, sah ich ein örtliches Gasthaus mit dem Namen „Gemeindeschenke“. Ich weiß nicht, ob das Gasthaus mehr oder weniger gut ist, ich bin nicht eingekehrt, ich weiß auch nicht, ob der Name „Gemeindeschenke“ historisch gewachsen ist, ob er ein Überbleibsel aus unsäglichen kommunistischen Zwangsgleichmachereitagen ist oder ob er einfach neu und frei erfunden ist, auch hier einerlei. Aber ich mag diesen Namen für ein Gasthaus sehr. „Rats…“, das hat sowas von Abgrenzung, von Ausschluss, hier kommt der gemeine Bürger nicht rein, hier sind die besseren Herrschaften unter sich (auch wenn das heute längst nicht mehr so ist), während „Gemeindeschenke“, das hat was von Gemeinschaft, von Zusammengehörigkeit, von Gleichheit (wohlgemerkt nicht Gleichmacherei), denn vor dem Bier sind ja bekannter Maßen ebenfalls alle gleich. Irgendwann werde ich abends mal in die Gemeindeschenke in Crawinkel gehen um zu sehen, ob ich hier nur ein romantisches Ideal in einen beliebigen Kneipennamen projiziert habe, oder ob es dort tatsächlich Gemeinschaft gibt …