Das Haus aus dem 15. Jhd. direkt am historischen Marktplatz von Marktbreit am Main bezeichnet sich selber als zweitältestes Gasthaus Bayerns, das mag stimmen, das mag eine nette Geschichte sein, Fakt ist, dass das alte Haus mit seiner Diele, den holzvertäfelten Gaststuben, den knarzenden Holztreppen, den niedrigen, wohl in den 80er Jahren nachträglich mit kleinen Nasszellen ausgestatteten Gastzimmern und dem schönen Gastgarten zweifelsohne authentisches Flair und Ambiente hat. Man hat den Eindruck, die Haute Volaute von Marktbreit und Umgebung speist ihr Fränkisches Schäufele hier und trinkt Schoppen heimischer Weine. In der Tat verheißt die Speisekarte von der Papierform gehobene bodenständige Küche, angeführt von einem viergängigen Ruinart-Champagner-Menue für 45 €. Nun denn, wir aßen à la carte: die Preise sehr moderat, kaum eine Vorspeise über 5 €, Hauptgerichte 10 bis 20 €, das nennt der Bayer kommod. Aber was bekommt man dafür? Einen Batzen versalzenen fetten Quarkes mit getrockneter Petersilie, ein wenig Grünzeugs-Garnitur und zwei Scheiben vertrockneten dunklen Industrie-Baguettes als Amuse Gueule, Applaus. Die Fränkische Bratwurst viel zu fein gecuttert, im Kunstdarm, der Kartoffelsalat dazu säuerlicher Brei von gekochtem Kartoffeldrumm mit reichlich – getrockneter Petersilie. Die Marktbreiter Mostsuppe aus kräftiger Rinderbrühe, säuerlichem Most, viel Sahne durchaus geschmackvoll, wäre sie nicht versalzen und gekrönt von – guess what – getrockneter Petersilie; ebenso die Fränkische Kartoffelsuppe, durchaus OK, kräftig ge- bis überwürzt und — getrocknete Petersilie. Der gebackene Karpfen riesig, muffig (OK, you should have known), aber ohne getrocknete Petersilie (die war reichlich über den Beilagen-Salat verteilt). Und der Fränkische Sauerbraten schließlich reichlich, mager, zäh, in dicker Sauce, mit geschwefelten Kartoffelklößen und darüber Unmengen von — getrockneter Petersilie. In der Metro muss es ein Sonderangebot für getrocknete Petersilie im Zentner-Sack gegeben haben.
Lobenswert die freundliche, flotte Bedienung und die Weinkarte: zwei Dutzend offene, regionale, wohlfeile Weine im 0,1 und 0,25 Glas, ein netter Querschnitt durch die Region, dazu drei Dutzend heimische Flaschen, beginnend bei 15 €, selbst ein Spätburgender vom Centgrafenberg (vom Fürst, dem alten Schlitzohr) oder ein Silvaner vom Casteller Schlossberg mit 35 € noch immer wohlfeil. (Nur weil ich gerade vergleichen kann: vergangene Woche habe ich im Dallmayr-Restaurant in München knapp das Doppelte für den Centgrafenberg bezahlt, nur einfach mal so zum Vergleich.) Spinnereien aus Nappa Valley oder Südafrika in Main-Franken fehlen vollständig, ausschließlich heimische Weine, darunter auch eine Rarität wie Tauberschwarz (Önologie-historisch sicherlich erwähnenswert, nur ob man ihn regelmäßig trinken muss …?).
Hier hat sich ein Routinier in der Küche eingerichtet auf ein geruhsames Leben, vielleicht sogar zu kulinarisch Höherem befähigt, nur Höheres wird nicht erwartet von der Haute Volaute in Marktbreit, die Frau Doktor, der Herr Apotheker und das Lehrerehepaar sind zufrieden mit Ruinart Champagner, geschwefelten Klößen und dicken Soßen, und vielleicht ist ja getrocknete Petersilie in Marktbreit so etwas wie der Zaubertrank für das Kleine Gallische Dorf, nur ich habe den tieferen Sinn nicht bemerkt … wer weiß. Ich habe allerdings nicht festgestellt, dass bei mir nach der Trocken-Petersilien-Dröhnung Körper-, Mannes- oder Geisteskraft bemerklich zugenommen hätten (schade eigentlich …).
Lieber Hr. Opl,
Sie hätten auch in den Gasthof Michels Stern gehen können, gute schmackhafte Küche, mit einer rein fränkischen Weinkarte. Weiterhin kann man in dieser Ecke Unterfrankens auch das Gasthaus Himmelstoss in Dettelbach sehr empfehlen. Dort gibt es jeden Sonntag einen sog. „Sonntagsbraten“, Hr. Krückel, der Pächter des Hauses, führt den Service selbst durch, außerdem ist er ausgebildeter Sommelier.
Alles in allem, sowieso schön in dieser Gegend.
Schöne Grüße