Summa summarum: nicht über Konkurrenz, schlechte Gäste und die Welt als solche jammern, auch keine Mediensperenzchen mit Kochclowns, sondern einfach mal anfangen, richtig zu kochen, dann klappt’s auch mit dem Umsatz.
Langsam aber sicher verödet der Hochsolling touristisch wie kulinarisch vollständig. Wenigstens zwei Vier-Sterne-Hotels und vier Drei-Sterne-Landgasthöfe zählte Neuhaus im Solling weiland, heute existiert kein einziges Haus mehr, allesamt geschlossen, verwaist, verwahrlost. Ähnlich sieht es mit der Gastronomie aus, in Uslar hält sich Menzhausen mehr schlecht als recht, das Fröhlich-Höche in Schönhagen ist seit über 130 Jahren eine rustikale, aber beständige Anlaufstelle für den kulinarisch eher anspruchslosen, dafür aber umso hungrigeren Wanderer im Sollingforste, in Silberborn kämpfen seit Jahren Iris und Carsten Macke im Landgasthaus Sollinghöhe um’s pure Überleben. 2005 waren irgendwelche Kochclowns vom Deppenfernsehen samt Kamerateam vor Ort, um dem Restaurant ein komplett neues Styling, Konzept und reichlich TV-Werbung zu bescheren, seit Neuestem wird die Sollinghöhe auch im Guide Michelin erwähnt, als eines der ganz wenigen roten Pünktchen im Hochsolling – nutzen wird das alles wenig, solange man dort das richtig Kochen nicht lernt.
Das Landhaus Sollinghöhe liegt am Ortsrand von Silberborn, einem alten Waldarbeiter- und Wilddieb-Dörfchen (wie zumindest die Legende sagt) mitten im Hochsolling, Ackerwirtschaft war hier niemals ein wirkliches Thema wegen des Klimas (zu meiner Jugend gab es hier noch Skilifte!), direkt neben dem Torfmoor, dem höchsten und größten Moor im Solling (und immer einen Spaziergang wert). Die Benediktinerinnerinnen aus dem Kloster Herstelle haben hier ihr Sommerhaus, im Herbst schreien die Hirsche beim Sonnenuntergang auf den Waldwiesen und kämpfen mit ihren mächtigen Geweihen eindrucksvoll um das Begattungsrecht bei den Hirschkühen, die Luft ist gut, man kann bis zur Erschöpfung und darüber hinaus wandern – aber ansonsten ist hier der Hund begraben. Wer wirklich Ruhe sucht, ist hier gut aufgehoben, es gibt große Ecken sogar ohne Handy-Empfang. Das wäre fast idyllisch, wenn man dort oben auch noch ordentlich essen könnte, und das ist – bei Gottfried – nicht der Fall.
Das Landhaus Sollinghöhe ist ein für die Gegend typischer, zweigeschossiger Fachwerkbau, allerdings aufgrund zahlreicher, über die Jahrhunderte entstandenen Anbauten relativ groß und kompakt. Man blickt auf Wiesen und Wälder, parken ist hier oben easy, die am Haus verlaufende Landstraße 549 ist lärm- und emissions-technisch kein Problem, vor dem Haus lädt ein Vorgarten/Terrasse/Freifläche mit Tischen hinter einem kleinen Zaun unter Schirmen zum Verweilen ein, die Gasträume sind überraschend groß und verwinkelt, funktional-spartanisch im üblichen 80er-Jahre Restaurant-Design eingerichtet, dazu irgendwelcher staubfangender Nippes aus dem Baumarkt.
All das wäre Nebensächlichkeit, vergessen und vergeben, wenn man hier gut essen könnte. Die Webpage der Sollinghöhe hat ein etwas gewöhnungsbedürftiges Design (man könnte es auch provinzielles Online-Schnick-Schnack nennen: „Wir machen das jetzt mal, weil man das technisch machen kann!“), verheißt aber Gutes. „Schnitzelvariationen auf Landhaus Art“ mit vier verschiedenen Schnitzeln, ein „Geschmorter Sollinger Wildbraten in Burgunderrahm“, aber auch eine „Hausmacher Sülze von Schlachter Otte mit Bratkartoffeln, Remouladensauce und Salatbeilage“ für weniger als 10 €, das ist doch mal eine Ansage. Soweit zur Online-Präsentation. Aber, beim realen Besuch, gibt es die Karte, die man Internet findet, überhaupt nicht: „Jetzt haben wir die Osterkarte!“, heißt es auf Nachfrage eine Woche nach Ostern, und das ist eine 08/15-Karte von ein paar Bratengerichten plus frischem Spargel. Das passt zu einem Etablissement, das auf der großen Tafel gegenüber dem Eingang, wo eigentlich die Tagesspezialitäten dem hungrigen Gaste offeriert werden sollten, als Spezialität „Maracujanektar mit Prosecco“ empfiehlt. Ersparen wir uns die Einzelheiten: Als Amuse Geul trockenes Weißbrot mit Magerquark, darüber billiges Öl und Würfelchen von unreifen Industrie-Tomaten: das ist kein Gruß, das ist eine Drohung aus der Küche. Wenn „Omas gute Rinderbrühe mit Einlage nach altem Silberborner Rezept“ mit den exakt gleich großen Eierstich-Würfelchen, den exakt gleich großen Fleischklößchen-Kugeln, dem zerfledderten Fleischbrei und dem penetranten Glutamat-Geschmack nicht aus Tüte/Dose/Glas/Tiefkühlpack stammt, so will ich Gottfried heißen. Bei der Sülze sieht man noch die Abdrücke der Dose, aus der sie stammte, statt Remoulade gibt es den nämlichen Magerquark vom Amuse Geul, die Bratkartoffeln sind nach meine Dafürhalten kurz gebratene Kartoffelwürfel aus der Convenience-Tüte. Das „Schweineschnitzel Landhaus Art ADF8 (keine Ahnung, was ADF8 heißt, steht so in der Speisekarte) mit Tomaten-Paprika-Sauce & Speck“ ist wohl ein vorgefertigter Schweinefleischbratling (ich jedenfalls habe kein Schnitzel-Klopfen aus der Küche vernommen) mit einer Sauce aus angedünstetem Paprika, Zwiebel, Zucchini, versetzt mit saurem Tomatenmark, mehr zumindest vermochte ich nicht zu schmecken. Der Spargel tatsächlich auf den Punkt gegart (das muss man eingestehen), die Sauce Hollandaise dazu wieder Tüte, Kartoffeln matschig-warmgehalten. Und wenn die Bedienung auf Nachfrage nicht weiß, welches Wild sich hinter dem „Sollinger Wildbraten“ verbirgt, dann kann man ahnen, aus welcher Richtung der kulinarische Wind weht. Das hätte man aber auch schon früher ahnen können, wer „All-you-can-eat-Menues“ anbietet, australisches Rindfleisch und Monteur-Übernachtungen, der hat schon verloren.
Landhaus Sollingshöhe
Familie Iris und Carsten Macke
Dasseler Straße 15
37603 Holzminden / Silberborn
Tel.: 05536 / 95080
E-Mail: geschmack@macke24.de
Internet: http://www.mackes-sollingshöhe.de/
Hauptgerichte von 9,00 € (Sülze mit Bratkartoffeln) bis 31,50 € (Rinderfilet vom Grill)
Übernachtung im Doppelzimmer mit Frühstück von 70 € bis 84 € (pro Zimmer)