Krone Großheubach: ich bin traurig.

Mit dem Schreiben ist das so eine Sache. Manchmal setzt man sich begeistert-euphorisch an den Rechner, manchmal wütend-sauer, manchmal widerwillig-gelangweilt, manchmal gänzlich emotionslos-rational. (Wer an dieser Stelle einwendet, der Journalist müsse doch in den allermeisten Fällen sein Handwerk emotionslos-rational angehen und einfach nur ehrlich berichten, was war, der hat vollkommen Recht, nur bin ich eben kein Journalist. Ich schreibe hier meine Sicht der Dinge, natürlich ohne Lüge, Verleumdung und ungebührliches Weglassen, aber schon pointiert und gespickt mit meiner Meinung, damit halte ich nicht hinter dem Berg, und als mein eigener Herr auf diesem Blog – ohne Chefs, ohne Eigentümer, ohne Werbekunden – kann ich das.) Und manchmal setzt man sich eben traurig zum Schreiben hin.

Ich habe an dieser Stelle verschiedentlich erwähnt, dass ich die Krone in Großheubach von Ralf und Niki Restel ausgesprochen schätze, schätze als gepflegtes, anspruchsvolles Landgasthaus mit durchaus höheren Ambitionen. Seit über fünfzig Jahren bin ich regelmäßig in der Krone, früher mit meinen Eltern bei unseren Besuchen bei Tantchen in Churfranken, gar nicht unwahrscheinlich, dass Ralf Restel als Sohn der Wirtsleute und ich als Sohn der Gäste damals gemeinsam unter’m Tisch gespielt haben. Die Jahre gingen in’s Land, Restel lernte Koch, fand seine Frau, zeugte Kinder, übernahmen die Krone von den Eltern, Niki machte noch eine Ausbildung zur Sommelière, ich machte eine Ausbildung zu was auch immer, fand ebenfalls eine Frau (und verlor sie wieder), zeugte dito Kinder und machte irgendwie eine Karriere, die mir einen Verdienst beschert, der es mir erlaubt, seit Jahrzehnten ein, zwei Mal pro Jahr einfach so in die Krone zu fahren, um es mir dort einfach gut gehen zu lassen. In all den Jahren hat sich Ralf Restel immer weiter entwickelt und ist besser und besser geworden. Wir beide haben ziemlich parallel einen großen Bogen vom Wiener Schnitzel zur Foie gras geschlagen, er auf der Koch-Seite, ich auf der Esser-Seite. Jedes Mal, wenn ich in die Krone kam, gab es etwas Neues, Interessantes, Herausforderndes, immer Leckeres. Das war sehr schön und rechtfertigte ein um’s andere Mal 300 oder mehr Kilometer Anfahrt für ein Abendessen. Der Erfolg gibt den Restels sicherlich Recht, Gäste kommen heute bis aus Frankfurt und weiter, oft ist ohne langfristige Reservierung kein Plätzchen zu erhaschen.

Bei meinen letzten drei Besuchen war es nun anders … oder besser: es war gleich. Die Speisekarte hat sich bis auf ein paar jahreszeitliche Gerichte kaum verändert, Tages- oder Wochenkarte gibt es gar keine mehr, maximal ein, zwei mündlich vorgetragene Tagesgerichte, und schon gar keine kulinarischen Veränderungen, neue, interessante, kontroverse, herausfordernde geschmackliche Kreationen, alles schmort offenbar im eigenen Saft. Rehkeule mit Rotkraut und Klößen, Tafelspitz mit Grüner Sauce, Schweinelendchen in Pilzrahmsauce, paniertes Kotelette vom Hällischen Landschwein, Wiener Schnitzel, Steaks, diverse kurz gebratene Fischfilets (also kaum Frisch-Fisch), Salate mit was dabei, immer die immer wieder gleichen drei Varianten von Crème brûlée. Die Restels werden wissen, was sie tun. Wenn das die Speisekarte ist, mit der man in Großheubach längerfristig das Optimum von Gästezahl, Wareneinsatz, Arbeitsaufwand, durchsetzbaren Preisen, Umsätzen und Deckungsbeiträgen erreichen kann, dann muss man wohl diese Speisekarte anbieten. Wenn mit dieser Speisekarte das Haus stets gut gefüllt ist, so spielt es gewiss keinerlei Rolle, ob ein kulinarischer Reisender wie ich weiterhin wie seit Jahrzehnten gewohnt immer was Neues, Interessantes auf der Karte vorfindet, ich bin da unwesentlich, wenn die sonstigen Zahlen stimmen.

Andererseits … Es gibt es Zitat von Philip Rosenthal, dem Porzellan-Unternehmer, das ich nicht mehr hören kann, weil es zu jeder passenden und vor allem zu jeder unpassenden Gelegenheit von dummschwätzenden Rednern und dummschmierenden Schreibern verwendet wird: „Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.“ Und jetzt verwende ich es selber, alldieweil dieser Satz nie so wahr war wie derzeit in Großheubach. Es ist nämlich nicht nur so, dass die Speisekarte  immer-gleich ist, auch die Qualität leider unter dieser Immer-Gleichheit.

Gebratene Riesen-Garnelen auf Risotto mit Grünem Spargel: Risotto tatsächlich cremig und mit Biss, knackig blanchiertes, frisches Gemüse, allerdings leider nur zwei Spargelstängelchen, die Garnelen trocken gebraten, teilweise noch mit Darm-Fetzen, das Anrichten auf einer Jakobsmuschel-Schale mag optisch nett gemeint sein, nur ist der halbe Risotto irgendwie unter der Muschel und muss umständlich rausgegabelt werden.

Spargel mit Hollandaise: Spargel Klasse 1, geschmackvoll, leicht bitter, viel, viel zu weich gekocht, Köpfe bereits breiig, unten sehr schlecht geschält, Hollandaise selbst gemacht (längst keine Selbstverständlichkeit mehr, eine Woche zuvor hatte man mir im altehrwürdigen Atlantik in Hamburg Eggs Benedict mit Tüten-Hollandaise vorgesetzt), aber viel zu sauer (sauer, nicht säuerlich) und fast kalt, Kartoffeln sehr gut, Teller nicht vorgewärmt, daher Alles eher lauwarm.

Rinderfiletspitzen mit Pfifferlingen in Rahmsoße, hausgemachten Kartoffelkroketten, Salat: Gutes Fleisch, nicht mehr rosa, sondern totgebraten, gehaltvolle, wohlschmeckende, kalorienreiche Rahmsauce, Pfifferlinge zumeist große, schwammige, wabblige, geschmackfreie Pilzfetzen, Kroketten ok, Salat gut.

Da sind einfach handwerkliche Unzulänglichkeiten, die nichts mit Geschmäcklerei zu tun haben und die es früher so nicht gab. Dass es keinen Gruß aus der Küche mehr gibt, sondern nur noch aufgebackenes Baguette mit Kräutertunke ist geschenkt. Dass der Azubi bemüht, aber unangeleitet-holprig agiert, auch, bei seinen blanken tätowierten Armen hört mein persönliches Verständnis allerdings auf, wenigstens gnädige Hemdsärmel könnten diese Entstellungen verdecken, aber wahrscheinlich muss man in der Gastronomie heutzutage schon froh sein, überhaupt Azubis zu finden. Wenn ich mich unter meinen Mit-Gästen so umblicke, so dominiert hier heute eindeutig die Saumagen-Fraktion, und für die scheint es das passende Paradies. Für mich nicht mehr.

Schade. Unendlich schade.


Gasthof zur Krone
Ralf und Niki Restel
Miltenberger Straße 4 1
D-63920 Großheubach
Tel.: +49 (93 71) 26 63
Email: lecker@gasthauskrone.de
Online: https://gasthauskrone.de/

Hauptgerichte von 18,80 € (Tafelspitz, grüne Sauce, Bratkartoffeln oder Schweinelendchen Champignon-Rahmsauce, Spätzle oder Cordon Bleu vom Schwein, Pommes, Salat) bis 29,00 € (Seeteufel-Medaillons auf gebratenen Nudeln, Gemüsen, Safransauce); Drei-Gänge-Menue von 30,10 € bis 58,80 €

DZ/ÜF 104 €

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