Summa summarum: gemütliches, entspanntes Wirthaus-Ambiente in historischen Mauern, fast durchgängig sehr ordentliches, gewiss nicht exzeptionelles, aber gut gemachtes, traditionelles bayrisches Essen ohne Kniefälle vor dem Zeitgeist und eines der besten Serviceteams, das ich seit langem erlebt habe.
Man neigt ja leicht zur Routine, auch und gerade bei Restaurant-Kritiken, und das gilt auch und gerade für mich … fällt mir gerade auf: So-und-so ist die Historie / Situation des Hauses, dann die Lage, Einrichtung, Ambiente, mehr oder wenige ausführliche Futter-Beschreibung und –würdigung, ach ja, Service gibt’s ja auch noch, schließlich die Preise. Anders beim Klosterstüberl in Fürstenfeldbruck: was hier am meisten heraussticht, ist das Service-Team, wobei die Betonung sowohl auf Service als auch auf Team liegt, und daher soll dies hier als erstes genannt werden.
Draußen ist es kalt-klamm-scheußlich, als wir reichlich durchgefroren ohne Reservierung das auch am Nachmittag proppevolle Klosterstüberl betreten, nicht daran zu denken, sich einfach irgendwo hinzuhocken. Auf einem alten Ofen neben dem Eingang eine Schüssel mit warmem Wasser mit Ei-großen, ebenfalls warmen Steinen darinnen zum ersten Händewärmen, eine nette Idee. Die Servicekräfte in meist abgeschabten, speckigen Lederhosen und Westen (das wirkt allerdings nicht schmuddelig, sondern nur bajuwarisch-typisch) wuseln angesichts des vollen Hauses geschäftig hin und her. Gar nicht lang, die Hände sind noch nicht richtig an den Steinen gewärmt, fragt einer der wuselnden Lederhosenträger nach uns’rem Begehr, Tisch, Speis und Trank begehren wir keck, das werde ein wenig dauern, entgegnet der Wusler, aber an einem seiner Tische mache man sich gerade daran, zu zahlen und aufzubrechen, den könnten wir hernach haben, wenn wir uns ein wenig geduldeten. Und jetzt geschieht etwas geradezu Unerhörtes: eine weitere emsig wuselnde Servicekraft schaltet sich ungefragt ein, einer ihrer Tische hinten im Lokal sei noch eine halbe Stunde frei, da sollten wir uns doch erstmal hinhocken, auftauen, die Speisekarte studieren und schon mal was trinken, bis der andere Tisch frei werde, spricht‘s und geleitet uns zu nämlichem freien Tisch, entschuldigt sich nochmals, dass dieser in einer halben Stunde reserviert sei, reicht uns die Speisekarten, fragt nach unseren Getränkewünschen und entschwindet wieder. Kurze Zeit später sitzen wir bei Grog und Tegernseer über der Speisekarte, nochmals wenig später kommt „unsere“ erste Servicekraft, holt uns ab, bringt uns zu unserem nun vorbereiteten Tisch und trägt uns die Getränke hinterher, kein Wort von „Die Getränke müssen Sie noch beim Kollegen bezahlen.“ oder so ähnlich, alles völlig easy und freundlich und dienstbar. Später mal wird ein dritter Kellner freundlich an unserem Tische stehen und die Hauptspeisen servieren mit den Worten „Der Kollege hat gerade eine große Gruppe, da bin ich kurz eingesprungen.“ Man bemerke: in einem Wirtschaftszweig, in dem „Nicht mein Tisch!“ und „Kollege kommt gleich!“ aus gegebenen zahllosen Anlässen zu omnipräsenten Running-Gags geworden sind, grätschen hier Servicekräfte ungefragt gegenseitig rein, um dem Kollegen zu helfen und dem Gast dienlich zu sein. Ja höchsten Respekt an den Wirt Martin Peter und seine Mitarbeiter, da ist es offensichtlich gelungen, ein echtes zusammenspielendes Team zu formen, und keine Truppe aus muffligen einzelkämpfenden Braten- und Bier-Schleppern, das findet man nicht oft, und das ist schön für den Gast. Zu dieser konsequenten Service-Orientierung passen viele weitere Kleinigkeiten, Putztücher für beschlagene Brillen z.B., Tische sind im Fürstenfeldbrucker Klosterstüberl nicht etwa „Reserviert ab … Uhr“ sondern – anders herum positiv formuliert – „Frei bis … Uhr“, die Toiletten heißen hier „Pippi Lounge“, von sehr vielen Gerichten gibt es halbe Portionen, bei Bedarf auch Lesebrillen …
Das Ambiente dazu ist gediegener bajuwarischer Wirtshaus-Standard würde ich sagen, in einem Nebengebäude des alten Klosters, Tonnengewölbe, Holz- und Fliesenfußböden, dunkle, halbhohe Holzvertäflung, blanke oder einfach gedeckte Wirtshaustische, wenig folkloristischer Tinnef, aber viele alte Bilder, vor und hinter dem Haus am Wasser unter Bäumen des Sommers mehr ein uriger Gast- denn ein Biergarten, das Alles ist stimmig, gemütlich, historisch gewachsen, unprätentiös, entspannt, zünftig, das hat Patina, wenn schon nicht der Jahrhunderte, so doch etlicher Jahrzehnte.
Was das Essen anbelangt, so bin ich bei Etablissements an erklärten Ausflugs- und/oder Wallfahrtszielen prinzipiell skeptisch, je mehr und je zahlreicher das zahlende Fressvolk von irgendwelchen weltlichen oder geistlichen Highlights angelockt wird, desto mieser ist oft die Verköstigung der weltlich oder geistlich Verzückten vor Ort. Nun, die barocke Klosterkirche von Fürstenfeldbruck ist gewiss einen Ausflug wert, ebenso das Lustwandeln in den nahen Amperauen, aber die Küche im dortigen Klosterstüberl reiht sich nicht ein in die Reihe der Ausflügler abzockenden Nepp-Lokale. Vielmehr wird hier regional, saisonal, traditionell gekocht, die Lieferanten stammen weitgehend aus der Umgebung, vieles ist „bio“ und „slow food“, Fonds, Knödel, Dressing werden angeblich allesamt selbst gemacht, das ist löblich und das schmeckt man auch. Dabei gibt sich die Speisekarte durch und durch authentisch bayrisch, kulinarische Kniefälle vor dem Zeitgeist, dem internationalen Tourismus und der Besatzungsmacht werden konsequent nicht hingelegt, es gibt keine Burger, keine Steaks, keine Pizza und keine Fischstäbchen für die lieben Kleinen, und das ist gut so, ich glaube, die Berliner Kalbsleber ist das exotischste Gericht auf der Karte. Aber der Große Suppentopf ist wirklich groß und besteht aus einer kräftigen Rinderbrühe, mageren, aber nicht zerkochten Rindfleischwürfeln, viel knackiger Gemüse-Julienne und Hörnchennudeln, nicht etwa breiig in der Suppe warm gehalten, sondern frisch und fast al dente hinzu gegeben: so muss Suppe. Und als ich in Erwartung weiterer Leckereien meinen Großen Suppentopf nicht ganz aufesse sagt die Bedienung beim Abräumen: „Hätten’s halt was gesagt, dann hätten wir Ihnen einen kleinen Großen Suppentopf gebracht.“: so muss Service. Caros Ochsenfetzensalat besteht aus leicht süßlich abgeschmecktem Fleisch auf Salaten, die oben zwar gut geputzt und knackig sind, weiter unten aber schon matschig und unansehnlich, und das Senf-Bier-Dressing, na ja, selber schuld, wer in Bayern Salat isst, und dazu noch freiwillig. Sehr gut der Grünkohl, keine breiige Masse, sondern frisch gekocht und leicht stückig mit Biss, nur Piment fehlt mir, die Mettenden dazu für Süddeutsche Verhältnisse ziemlich gut, die Salzkartoffeln frisch fertig gekocht: lecker. Auch der Schweinsbraten, die Kalbfleischpflanzerl oder der Kalbstafelspitz, das sind allesamt solide, sichere kulinarische Bänke im Klosterstüberl Fürstenfeldbruck, bei denen wir noch niemals wirklich enttäuscht wurden. Das ist alles gewiss keine Hochküche, das ist noch nicht einmal exzeptionelle, herausragende Volksküche, über die man etwa schreiben könnte, dass sich etwa alleine für den Schweinebraten eine mehrstündige Anfahrt lohnte, nein, das gewiss nicht, aber das ist solide, handwerklich gekonnt gemachte, traditionsbewusste, authentische, derbe, einfache, jedoch sehr gute Volksküche, wie man sie immer weniger findet. Und das ist schön, dass Martin Peter und sein Team diese Küche hochhalten, danke dafür. Tatsächlich exzeptionell ist dann aber doch noch eine Nachspeise: die Windbeutel im Klosterstüberl sind legendär und riesig; wenn man Berge von knusprigem Brandteig mit süßer Konditorschlagsahne und allerlei Aromen mag, ist man hier genau richtig.
Gastwirtschaft „Klosterstüberl“
Inhaber: Martin Peter
Fürstenfeld 7c
82256 Fürstenfeldbruck
Tel.: +49 (81 41) 52 68 19
E-mail: klosterstueberl@t-online.de
Internet: www.klosterstueberl.de
Hauptgerichte von 11,90 € (Schweinsbraten mit Knödel und Krautsalat oder Kässpätzle) bis 19,90 € (Halbe Ente mit Knödel und Blaukraut), Drei-Gänge-Menue von 19,90 € bis 36,70 €