Klostergasthof Andechs: entbehrlich

Summa summarum: uriger bayrischer Gasthof am Heiligen Berg direkt unter dem Kloster und dem Bräustüberl, flotte, freundliche Bedienung, die süffigen Andechser Biere, kunterbunte Speisekarte mit bajuwarischen und modernistisch-internationalistischen Gerichten ohne Sinn und Verstand, dafür zu happigen Preisen, uns hat nichts davon auch nur annähernd geschmeckt. Das rustikalere und billigere Bräustüberl ist die mit Abstand bessere Wahl zum Essen und Trinken in Andechs.

Ich hasse Caro. Sie ist über‘s Wochenende zu Besuch bei mir und will unbedingt nach Andechs, sie hat wohl irgendwas im Fernsehen darüber gesehen. Meinen Vorschlag, mit der S-Bahn nach Herrsching zu fahren und dann eine Stunde durch das hübsche Kienbachtal zum Kloster hochzulaufen, lehnt sie empört ab: zu kalt, zu nass, zu sowieso-und-überhaupt. Da sie mit ihrer Flugbüchse von Frankfurt gekommen ist, darf ich fahren – derweil sie sich an den leckeren Andechser Bieren verlustiert. Der fast schon riesige Parkplatz am Fuße des Heiligen Berges lässt erahnen, was hier los sein kann, wenn was los ist, nur kommen die Leute heutzutage wohl nur noch selten zum Wallfahren für ihr Seelenheil, sondern viel mehr aus touristischen Gründen und vor alle für ihr körperliches Wohl, denn das Bräustüberl der Klosterbrauerei ist nicht nur für seine Biere, sondern auch für seine einfache, zünftige, schmackhafte und dazu noch recht wohlfeile bayrische Küche bekannt, mit gegrillten Haxen und Wammerl, kalten und warmen Würsten, heimischen Käsespezialitäten und einem legendären Kartoffelsalat und ebenso legendären Brez’n, alles in Selbstbedienung zu erstehen. Aber die Mönche gestatten es auch, dass man seine eigene Brotzeit mit in’s Bräustüberl bringt, solange man zumindest die Getränke vor Ort erwirbt. Vielleicht mal nur so zum Vergleich: im Bräustüberl in Andechs kosten zwei Weißwürste mit Brez’n 4,90 EURO, im Hofbräuhaus in München 7,20 EURO, knapp die Hälfte teurer, der Obazda mit einer Scheibe Brot kostet in Andechs 5,40 EURO, im Hofbräuhaus 8,90 EURO, d.h. zwei Drittel teurer, das sind mal Unterschiede. Die Bierpreise nehmen sich allerdings wenig.

Die Kloster- und Wallfahrtskirche im Rokokostil ist rasch besichtigt, innehalten am Grab von Carl Orff (Wer war das doch gleich noch? Ach ja, der mit dieser Kantate, Carmina Burana oder so …), in die Heilige Kapelle mit dem Andechser Reliquien-Schatz kommt man nur mit Anmeldung, in‘s Kloster selber darf man sowieso nicht, und der Klosterladen ist wie hundert andere auch. Heißa, auf in’s Bräustüberl und eine frische Haxe vom Grill mit Knödel und Kraut essen. Aber nein, Madame möchte was „Richtiges“ essen, nicht in die Schwemme mit Selbstbedienung, sie will in den Klostergasthof, in ein „richtiges“ Restaurant. Wer bin ich, dass ich Caro widersprechen würde? Also keine resche Haxe, grummelnd folge ich ihr in den etwas weiter unten gelegenen Klostergasthof.

Die Inneneinrichtung ist rustikal-gemütlich, Holzfußboden, Holzbalken und Kronleuchter an der Decke, übergroßes Kruzifix in der Ecke, geraffte weiße Gardinen vor den Sprossenfenstern, wuchtiger Schanktresen, massive Wirtshausmöbel, Kellner in Tracht, flott, aufmerksam, freundlich – so geht bayrisches Gasthaus, zumindest was die Einrichtung und das Ambiente anbelangt. Die Speisekarte ist zwar erfreulich klein – zehn Hauptgerichte zur Auswahl – doch reüssiert sie nicht mit typisch bajuwarischer Küche, sondern eher mit einem gesichts- und konzeptlosen wilden Durcheinander. Nun gut, es gibt Wurstsalat, Schweinswürstel auf Kraut, Schweinskrustenbraten mir Knödeln, Burgunderschmorbraten, Entenkeulen, ganze gebratene Forellen, aber daneben auch so seltsame Kompositionen wie Gelbe Bete, Rote Bete, Hummus, Walnüsse, Datteln, Rettich, Brokkoli, Radicchio oder Wolfsbarschfilet mit Shrimps, Muscheln, Kalamansibutter oder Gebratene Kalbsleber mit Bandnudeln, Pfifferlingrahm (Pfifferlinge im Winter?!), Parmesan oder die typisch bayrischen Riesengarnelen mit Knoblauch, Thymian, Chili, Butter, Baguette. Daneben sind ein paar Brotzeiten, Vorspeisen, Salate, drei Suppen, für die Fleischfeinde Kässpätzle, Schupfnudeln mit Tomatenragout, Artischocken, Oliven, Petersilie, Portulak, ein Steinpilzrisotto mit Rucola, Feigen, Parmesan, Steinpilzen, Butter, schließlich vier Desserts, allen voran der altbekannte Apfelstrudel und der Kaiserschmarrn im Angebot. Für mich klingt das nach einem konzeptlosen Durcheinander, mit dem man sowohl den wallfahrenden bayrischen Bauern, als auch den Münchner Stadtfrack auf Landpartie, als auch dem woken intellektuellen Wixer aus Berlin bei einer Klebepause, als auch Heerscharen internationaler Touristen aus aller Herren Länder kulinarisch gerecht werden will. Ein kulinarischer Stil, eine Handschrift eines Küchenteams, regionale und jahreszeitliche Bezüge entstehen so nicht, sondern nur ein gesichtsloses kulinarisches Sammelsurium. Dafür sind die Preise für diese ländliche Gegend happig: das Paar Weißwürste mit Brez’n kostet hier 7,80 EURO – teurer als im Hofbräuhaus. Und der Obazda mit Brot kostet 11,50 EURO – mehr als doppelt so viel wie oben im Bräustüberl. So geht bayrisches Gasthaus gewiss nicht.

Ich würde ja nichts über die Preise sagen, wenn die Qualität der Speisen stimmte. Tut sie aber nicht – durchgängig. Hühnersuppe: dünne Brühe ohne nennenswerten Geschmack, viele, große, fasrige Stücke Hühnerfleisch, zerkochte Gemüse-Brunoise, matschige Nudeln, obendrauf viel zu grob gehackte Blattpetersilie, die die ganze Chose geschmacklich dominiert. Steinpilzrisotto: matschige Konsistenz, Steinpilze schmeckt man kaum heraus, Süße der Feigen passt nicht, Rucola schlecht geputzt, Parmesan erweckt den Eindruck, aus der Tüte zu kommen und nicht frisch gerieben vom Stück. Burgunderschmorbraten: fasriges Fleisch, belangloses Sößchen, die Stampfkartoffeln eine breiige, geschmacklose Masse ohne Kartoffelstückchen darinnen, erweckt eher den Eindruck von Tüten-Kartoffelbrei, die gerösteten Wurzelgemüse ganz nett, nur viel zu hart. Kaiserschmarrn: in exakte, gleichförmige und gleichgroße Rechtecke geschnitten, das ähnelt dem tiefgefrorenen Fertig-Kaiserschmarrn von Meisterfrost (10 Portionen im 2,5 kg Beutel zu 12,49 EURO in der Metro, vier Minuten bei 600 Watt in der Mikrowelle erhitzen) oder dem Caterline Kaiserschmarrn von Unilever Food Solutions (10 Portionen im 2,5 kg Beutel zu 20,72 EURO) schon frappant, ansonsten wenig Geschmack, der Apfelbrei dazu schmeckt eher wie Birne, zwei große, harte Fruchtstücke in gelblichem Fruchtpüree, entsprechend der Zwetschgenröster.

Das Essen im Klostergasthof Andechs hat keinerlei Spaß gemacht, und Bier durfte ich als Fahrer nicht trinken.


Klostergasthof Andechs
Alamund GmbH
Geschäftsführer: Manfred Heissig, Ralf Sanktjohanser
Bergstraße 9
D – 82346 Andechs
Tel.: +49 (81 52) 9 82 57-30
E-Mail: info@andechser-klostergasthof.de
Online: https://andechser-klostergasthof.de

Hauptgerichte von 14,90 € (Käsespätzle) bis 25,90 € (Kalbskotelett mit Kartoffel-Feldsalat), Drei-Gänge-Menue von 28,20 € bis 54,50 €

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