In London hatte ich ihn schon 2010 oder 2011 in manchen Bars gesehen, den Oxley Gin mit seiner unten mit massivem Metall verkleideten Flasche und einem Lederband um den Hals. Um ehrlich zu sein, ich fand das Styling der Flasche zu aufwändig, zu aufdringlich, zu gewollt schick, als dass mich der Inhalt wirklich interessiert hätte, wenn ein Gin äußerlich so aufgedonnert daher kommen muss, will er damit wohl die fehlenden inneren Qualitäten überdecken, dachte ich. Den Hype, den der Oxley damals schon in Großbritannien auslöste, bekam ich nicht mit. Erst als vor ein paar Jahren die ersten Flaschen in Deutschland auftauchten und die einschlägigen Vor-Mixer, Alc-Schreiber und Profi-Trinker sich förmlich überschlugen, da wurde ich auch auf den Oxley aufmerksam, hatte es aber stets irgendwie versäumt, den Gin dann auch tatsächlich mal zu probieren, es gab immer interessantere Alternativen. Nun gut, jetzt ist es soweit, dass der Bacardi-Konzern, zu dem Oxley gehört, den Gin selbst in Deutschen Discountern anbietet, und da habe ich ihn beim Wochenend-Großeinkauf zusammen mit Klopapier und Zwiebeln halt auch mitgenommen, für stolze 64 EURO für die Literflasche, obwohl er im Internet schon für um die 50 EURO zu haben ist, sei’s drum. Als distinktives Merkmal propagiert der Oxley keine tradierten Geheimrezepte, keine Kräutlein sammelnden alten weisen Frauen, keine uralte ehrwürdige Familientradition, keine regionalen spezifischen Botanicals wie Hopfen oder Waldmeister, kein Bio-Öko-Trallala, auch keine Affen und wie die frei erfundenen Marketing-Räuberpistolen alle lauten, als distinktives Merkmal propagiert der Oxley vielmehr die Kalt-Destillation, von der ich in der Tat seit meinem Physik-Unterricht auf dem Gymnasium nicht mehr viel gehört habe, und schon gar nicht in Verbindung mit Gin. Wir erinnern uns: wenn der Druck sinkt, sinkt auch der Siedepunkt, der Physiklehrer demonstrierte dies eindrucksvoll mit einem Glaskolben halb voll mit Wasser, aus dem der die Luft so lange absaugte, bis das Wasser auch ohne Wärmezufuhr zu kochen begann. Im Prinzip wird so auch der Oxley hergestellt, zuerst werden 14 Botanicals einen halben Tag lang in Basisalkohol geworfen – natürlich alles von Hand und small batch und so weiter, sodann wird die Suppe – Mazerat – bei minus 5 Grad destilliert und in einem Kondensator mit 100 Grad minus wieder verflüssigt. Durch dieses Verfahren ohne Hitze soll der Geschmack der Botanicals deutlich unverfälschter und echter rüberkommen als beim konventionellen Heiß-Destillieren. Persönlich würde ich das in Frage stellen wollen, nicht nur Hitze, auch Kälte beeinflusst den Geschmack, rabiate Extrem-Kälte vielleicht sogar mehr als sanftes Köcheln. Das Destillat wird auf 47% Alkoholgehalt verdünnt, sonst aber unverändert gelassen, so dass der Oxley sich zu Recht London Dry nennen darf. Aufwändig erscheint das Verfahren allemal, und gewiss auch distinktiv, aber ob hier tatsächlich noch immer nur 240 Flaschen täglich produziert werden, wie die Macher anfänglich kolportierten, würde ich zwischenzeitlich angesichts der Discounter-Vermarktung dann doch bezweifeln.
Wie dem auch sei, das Ergebnis dieser Kalt-Destillation ist für mich diffus. Sehr deutlicher Wachholder-Geruch, keine Schlieren am Glas, der Geschmack wird dominiert von Wachholder und Zitrusfrüchten, eher ungewöhnlich für britischen Gin, ich schmecke Lavendel und deutliche Bitternoten. Trotz der Zitrusfrüchte ist der Oxley nicht leicht und blumig, die 47 Prozent erden ihn quasi, auf Zunge und Gaumen kann man seine Geschmacksfacetten lange nachschmecken, aber der Gesamteindruck bleibt für mich diffus, nicht rund, nicht komplex, eine für einen London Dry ungewöhnliche starke Restsüße, die störend ist. Zum pur trinken und auch für Martinis ist der Oxley für mich weniger geeignet, aber mit einem kräftiger Tonic mit Eigen-Charakter, vielleicht ein Doctor Polidori ́s Tonic Water Dry oder ein Fentimans kriegt man einen ganz ordentlichen Gin Tonic damit hin.