Die Leipziger Lerche

Nun, auf den ersten Blick hat dieses mit Marzipan bzw. Persipan und Marmelade gefüllte, mit den zwei typischen Teigstreifen verzierte Mürbeteig-Törtchen wenig mit einer Lerche, also dem Singvogel, zu tun, und doch ist ihre Geschichte eng verwoben. Seit Urzeiten wurden Singvögel zur Lebensmittelbeschaffung gefangen, zubereitet und verzehrt. Die Lerche, insbesondere die Feldlerche aus dem Raum Leipzig, galt dabei als besondere Delikatesse, es wurde den großen Hafer- und Knoblauch-Feldern um Leipzig zugerechnet, von denen sie sich ernährten. Bis zu 400.000 von den Vögelchen wurden pro Monat im Herbst gefangen und entweder direkt vor Ort aufgefressen oder gerupft und in Papier und Spezialkistenverpackt in ganz Europa verschickt. Lediglich das Federkleid und der Magen wurden vor der Zubereitung entfernt, dann wurden sie mit einer Masse aus Speck, Hühnerleber, Ingwer, Pfeffer, Muskat, Salz und Eigelb gefüllt, mit Speck umwickelt und in Butter gebraten oder am Spieß mit Salbeiblättern und Speck gegrillt, zuweilen wurden die Lerchen auch als Pastete zubereitet. Dann aber begab es sich, dass der Lerchen-Bestand aufgrund des immensen Lerchen-Hungers der reichen Leipziger Kaufleute und ihrer internationalen Handelspartner ernsthaft gefährdet war, so dass der sächsische König Albert 1876 offiziell die Lerchen-Jagd verbot. Da erfand ein findiger Leipziger Konditor – es ist nicht überliefert, wer – die neue Leipziger Lerche, eben jenes Mürbeteigtörtchen, gefüllt mit Marzipan und Marmelade; die zwei gekreuzten Teigstreifen obendrauf sollen die Stricklein symbolisieren, mit denen die Füße der Vögelein weiland vor dem Braten pariert wurden. Das war offensichtlich ein voller Erfolg, die Leipziger Lerche gibt’s bis heute, auch ohne Lerchen. Zu DDR-Zeiten wurde das teure Marzipan aus Mandeln (Importware!) ersetzt durch Persipan aus Pfirsich- oder Aprikosenkernen. Unsere Leipziger Lerche stammte aus der Konditorei Kleinert, die Stein und Bein schwören, als einziges Unternehmen die Leipziger Lerche seit 1950 ausschließlich mit Marzipan und nicht mit – billigem – Persipan herzustellen. Wie dem auch sei, lecker war sie auf jeden Fall, unsere Leipziger Lerche, vielleicht etwas sehr süß, aber sowas ist ja bekanntlich Geschmackssache.

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