Washington DC in der Vor-Trump-Zeit, wie man es kannte: ein paar Althippies stets und immer gegen irgendetwas protestierend in Zelten vis à vis des Weißen Hauses, nicht enden wollende Schülerkolonnen am Capitol, junge Menschen keck auf ihren Booten auf dem Potomac Fluss beim alten Watergate Alkohol in der Öffentlichkeit trinkend (Skandal!), gepanzerte Limousinen mit abgedunkelten Scheiben in rascher Fahrt, Straßenmusiker, dazu noch sehr gute, rund um den Dupont Circle, wo zahlreiche Unterdrückungs- und Verdummungs-Institutionen wie der German Marshall Fund (auch noch eine Schenkung der Deutschen, um sich selbst zu demütigen) oder die Paul H. Nitze School of Advanced International Studies ihren Sitz haben. Und ausgerechnet hier habe ich den besten Kartoffelbrei der Welt gegessen. Ich schlenderte durch die Stadt, es war Frühling, schon recht warm, laue Luft, Sonnenstrahlen, Dixi-Musik, die Straßencafés und –restaurants bereits geöffnet; ohne kulinarisch viel zu erwarten setzte ich mich wahllos in eines dieser Restaurants am Dupont Circle – ich weiß noch nicht mal, welches, bei meinem letzten Besuch jedenfalls gab es es bereits nicht mehr –, das wenigsten etwas mehr als Burger, Pizza und Salat bot. Ich bestellte ein Steak mit mashed potatoes, gebraten Pilzen und Salat, und was da kam war denkwürdig. Nicht das tatsächlich medium gebratene, zarte Stück toter Kuh, nicht die kurz sautierten wässrigen Champignons, nicht das zerrupfte Grünzeugs über das man wahlweise Billig-Essig und Billig-Öl oder vorgefertigtes Yoghurtdressing aus dem großen Convenience-Bottich kippen konnte; denkwürdig war vielmehr der Kartoffelbrei, mashed potatoes geheißen. Der kam daher als unendlich cremige, butterig-kartoffelige (butterig-kartoffelig, in dieser Reihenfolge, nicht etwas kartoffelig-butterig), dennoch leichte, fluffige Masse (nicht diese Konsistenz von angerührtem Modellbaugips, den Kartoffelbrei sonst so oft hat) mit deutlicher Muskat-Note. Ich fragte die junge, flotte, freundliche Kellnerin, was denn das Geheimnis dieses phänomenalen Kartoffelbreis sei, sie glotze mich unvermittelt an wie eine Kuh, genauso gut hätte ich einen städtischen Kanalarbeiter nach Behandlungsmethoden für zerebrale Vaskulitiden fragen können, bei aller Jugend, Flottheit, Freundlichkeit, sie hatte keinerlei Ahnung von dem Futter, das sie tagtäglich herumschleppte (ein sehr, sehr ärgerliches, leider häufiges und stetig zunehmendes Phänomen beim Servicepersonal, nicht nur in den alten Kolonien und Entwicklungsländern, sondern auch in Kulturstaaten). Also bat ich, man möge mir den Koch schicken, damit dieser mir Auskunft geben könne über das Geheimnis des Kartoffelbreis. Dieser wurde bereitwillig geholt und kam auch rasch an den Tisch, ein vielleicht vierzigjähriger Mann in voller Kochmontur, drahtig mit deutlichem Waschbärbauch-Ansatz, freundlich und überaus erfreut ob des Lobes für seinen Kartoffelbrei. Dennoch sträubte und wand er sich wie ein Aal, als ich ihn nach dem Rezept für den Kartoffelbrei fragte. „You don’t wanna know it! You really don’t wanna know the recipe!”, versuchte er sich herauszureden. Nach langem Insistieren schließlich gab er seinen Widerstand auf und rückte mit dem Rezept raus: “Well, you know, it’s very easy, once you know the trick. Half of the mashed potatoes is cream, the other half is butter … the rest is potatoe, nutmeg and salt.”