Summa summarum: mitten im Binnenland handwerklich gekonnte, unprätentiöse, traditionelle Meeresfischküche in heimiligem Ambietne.
In einer Drei-Flüsse-Stadt wie Passau sollte man auch ein ordentliches Fisch-Restaurant erwarten können, vielleicht – um im Klischee zu bleiben – „Zur Fischer Vroni“ oder – für die etwas Gebildeteren – „Richtels Fritz“ oder „Beim Andreas Pragner“. Aber ausgerechnet im tiefsten Binnenland ein Fischrestaurant namens „Bouillabaisse“ zu eröffnen, das zeugt von einigem Anspruch, denn Barsch, Drachenkopf, Petersfisch, Knurrhahn, Seeteufel, Meeraal, Rotbarbe, Merlan, Seewolf, Languste, Kaisergranat, Garnele und Miesmuschel sind eher selten in Binnengewässern. Doch Uschi und Albert Stühler servieren seit über 25 Jahren ziemlich gutes und frisches Meeresgetier in einem kleinen Seitengässchen in der Passauer Altstadt. Ein einfaches Schild auf dem Pflaster weist aus das Restaurant im ersten Stock eines alten Hauses hin, und die handgeschriebene Speisekarte in einer Vitrine an der Wand, sonst nichts, das ist alles eher unscheinbar, hier sind keine Marktschreier oder Nepper, Schlepper, Bauernfänger für dumme Touristen am Werke, und doch geht in der Regel ohne längerfristige Reservierung hier gar nichts, zumindest nicht zu den Hauptessenszeiten. Die beiden Gasträume im ersten Stock sind altertümlich-gemütlich, teils alter Stein-, teils alter Parkett-Fußboden, Wände dreiviertelhoch mit dunklem Holz vertäfelt, Sprossenfenster, massive, dunkle Möbel mit einfacher weißer Leinen-Tischwäsche und Papierservietten, ein gutes Dutzend Tische, links ein Tresen mit einer offenen Küche dahinter (mit sehr guter Entlüftung., es riecht kaum nach Küche im Restaurant), dort brät und grillt und sottet Albert Stühler seit Jahr und Tag Meeresgetier vor aller Augen, die Beilagen, Nachspeisen usw. kommen aus einer separaten Küche im Hintergrund. Hier könnte jetzt auch ein Dr. Peiffefer mit drei F speisen, oder ein Hans Moser oder ein Louis de Funès, das wirkt alles etwas aus der Zeit gefallen, als es noch gemütlich und vernünftig und menschlich zuging in Deutschland und Europa, als die Welt noch in Ordnung war, und zumindest hier scheint sie noch in Ordnung zu sein.
Auch auf der Speisekarte ist die Welt noch in Ordnung, es gibt keine Burger, Pommes, Flammenkuchen, keine spezielle Essgestörten-Karte für Veganer, Laktose-Unverträgliche, Öko-Hunzis oder sonstige Essbehinderte, keine molekularen Espumas, geschnitzte Karotten oder pochierte Trullala-Früchte aus dem fernen Trallala-Land für die „Gourmet“-Fraktion. Das ist eine ganz bodenständige, anspruchsvolle Fischspeisekarte, wie sie auch in einem guten Fischrestaurant in der Bretagne zu finden sein könnte. Bouillabaisse, Hummercremesuppe mit Krebsschwänzen, Thunfisch-Carpaccio, Krabbencocktail, Calamare in Knoblauchbutter, Kleiner Salat und natürlich Austern als Vorspeise, dann ein halbes Dutzend Seefische meist gegrillt oder gebraten, Jakobsmuscheln und Gambas (aus Salzwasser-Wildfang), für die ganz eingefleischten Fleischesser ein Steak mit Kräuterbutter zur Hauptspeise und vier Nachtische, Palatschinken, Fruchtsorbet, Mousse au chocolat und – ganz apart – karamellisierte Kürbiskerne mit Vanilleeis und Kürbiskernöl. Die ganze Speisekarte passt handgeschrieben auf eine Din A 4 Seite, mehr gibt es nicht und das ist gut so; dazu noch eine kleine, wohlsortierte Weinkarte mit Schwerpunkt auf Weißen aus Österreich, Norditalien, Frankreich, das passt zum Fisch.
Was dann serviert wird ist … gut. Bei einer guten Bouillabaisse 100 Kilometer nördlich der Alpen ist man leicht geneigt, in’s schwärmen zu geraten und Superlative zu bemühen. Das wäre aber nicht wirklich objektiv. Was hier in Passau auf den Tisch kommt, ist gutes, gekonntes Kochhandwerk aus guten, frischen Zutaten. Die Fische, Muscheln, Gambas sind ordentlich, mit richtiger Temperatur und Dauer gegrillt und gebraten, noch leicht glasig, nicht trocken, nicht hart, nicht zerfallend. Champagner-Sößchen, Knoblauchbutter, Beurre Blanc, Hummersauce, alles einwandfrei, die Gemüse, Kartoffeln, Reis tadellos auf den Punkt zubereitet und frisch, die selbst gemachten Nudeln etwas matschig, aber der gute Wille zählt. Hier macht Essen wirklich Spaß. Die Atmosphäre ist locker, aber nicht unkultiviert, hier sitzen Fischliebhaber und Genießer beisammen, der Service von Uschi Stühler ist kompetent, flott und wirklich herzlich, man merkt ihr an, dass ihr das Wohlergehen ihrer Gäste ein echtes Anliegen ist. Und Albert Stühler liefert mit der Präzision eines Uhrwerkes und mit der Jahrzehnte-langen Ausdauer eines Langstreckenläufers ordentliches, gekonntes, unaufgeregtes, wohlschmeckendes Kochhandwerk ab, hier ist nichts „Kochkunst“, auch nicht „unerhört neu“ oder „genialisch kreativ“, doch ich versteige mich zu sagen, dass will man hier auch gar nicht, das gekonnte Kochhandwerk ist wenigstens ebenso zu schätzen wie die Kochkunst, denn niemand will jeden Tag in die Galerie der innovativen Tollheiten, zuweilen macht es auch Spaß, zu essen wie eh und je. Und wenn jemand 1.500 Kilometer vom Atlantik entfernt auf Dauer solch eine solide Fischküche abliefert, dann ist das sicherlich hohen Lobes wert.
Bouillabaise
Uschi und Albert Stühler
Rosengasse 1
94032 Passau
Deutschland
Tel.: +49 (8 51) 3 77 95
Hauptgerichte ca. von 21,80 € (Lachsfilet auf Kräutersauce) bis 31,90 € (Mixed Grill von Edelfischen auf 2 Saucen), Drei-Gänge-Menue von 37,60 € bis 59,70 € (Preise schwanken je nach Tageskarte)