Summa summarum: Krone Alt-Hoheneck ist einfach ein Gasthaus, wo man gemütlich sitzt und gut isst und trinkt, wo man gerne ist, wo man Mensch ist. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Danke dafür Schwäger Fetzer.
Wirte sind schon eine seltsame Zunft. Da gibt es Haderlumpen und Verbrecher, verdammt viele Haderlumpen und Verbrecher, es gibt glücklose, dramatische, stets und immer zum Scheitern verurteilte Gestalten, es gibt lust- und freudlose Convenience-Anrührer, es gibt Diven-gleiche, meist durchgeknallte Künstler und vor allem Möchte-Gern-Künstler, es gibt bienenfleißige, danklose Arbeiter im Verborgenen, es gibt Angeber und Aufsprecher mit wenig dahinter, es gibt trotzige Vertreter irgendeiner reinen Lehre, die stur und erfolglos gegen die Welt als solche ankochen, es gibt mühsame und redliche Eichhörnchen, die ihr ehrliches, aber hartes Ein- und Auskommen haben, und dann gibt es – die Blasphemie sie verziehen – Heilige, wenige und selten, aber es gibt sie, Hohepriester, die Gastronomie und Küche als das zelebrieren, was sie eigentlich sein sollten, als sakrale Kunstform, die Kunst der Gemeinschaft, des Bewirtens, der Speisenzubereitung, der Achtung vor der Schöpfung und ihren Gaben … das sind alles sehr große, salbungsvolle Worte, und doch umschreiben sie vielleicht annähernd, was Gastronomie sein sollte, könnte, wäre sie so wie bei Abraham (1. Mose 18).
Nun, wahrscheinlich kehrt der Herr heute nicht in Alt-Hoheneck am Neckar ein, zumindest nicht persönlich, und mit ziemlicher Sicherheit sind die Schwäger Pascal und Markus Fetzer in ihrem Gasthaus Krone keine neuen Abrahams, und doch … regional, bio, nose-to-tail, kein Convenience, faire Bezahlung und Arbeitsbedingungen, ordentliche Portionen, erschwingliche Preise, eine entspannte, freundliche, gemütliche Atmosphäre, gute, ehrliche, gekonnte Küche – nicht exzeptionelle oder geniale oder kreativ-innovative oder exotische Küche, aber gute, ehrliche, gekonnte Küche von Küchenchef Oliver Kull, keinem Geringeren als dem Urenkel des Erfinders der Spätzlepresse, … das alles sind unverzichtbare Bestandteile einer Gastronomie, die sich als mehr versteht als ein Abfütterungs- und/oder Bespaßungs-Betrieb, und die Krone in Alt-Hoheneck ist gewiss mehr als ein Abfütterungs- und/oder Bespaßungsbetrieb.
Nun gut, dass es brechend voll ist in der Krone – bei McKotz ist es zuweilen auch brechend voll (und dann wieder voll von Erbrochenem) – ist noch kein Qualitäts-Indiz per se. Ohne Reservierung geht hier zu Stoßzeiten nix. Dabei ist das Publikum extrem heterogen, vom Studentenpärchen bis zum Rentnerehepaar, vom fast schon verbissen Mörike lesenden Eigenbrödler bis zur kinderreichen, lärmenden, lustigen, jungen Familie, vom muskulösen Lederkluft-Rocker bis zur hageren älteren Dame im in die Jahre gekommenen Dior-Kostüm, vom proletarischen Klassenkämpfer bis zur verbeamteten Richterin, von der weinseligen Männerrunde bis zum Frauenkampfsportverein Muckensturm / Schmidener Vorstadt, von der jungen Doktorin aus besserem Hause, die hier ihre Promotion feiert bis zur Belegschaft der Abdeckstation auf Betriebsausflug ist hier alles vertreten, was Schwaben an deutsch-stämmiger gesellschaftlicher Vielfalt zu bieten hat; Multi-Kulti, das nämlich scheint nicht wirklich stattzufinden in der Krone Alt-Hoheneck am Neckar (was man dort allerdings wahrscheinlich vehement unter Verweis auf internationales Konzertprogramm und Balkan-Folk & Co. bestreiten dürfte), die türkische Hochzeitsgesellschaft fehlt ebenso wie die koreanischen Gast-Ingenieure bei Bosch, das alawitische Asylantenehepaar oder die imperialen Besatzungssoldaten aus den Kelly Barracks, es sei denn, sie hätten sich allesamt sehr gut integriert. Zumindest gibt es keine Englischen Speisekarten, das ist doch schon mal positiv.
Die Einrichtung des eher unscheinbaren, alten Hauses direkt am Neckar-Radweg (und höllisch engen Sträßchen, dichter alter Wohnbebauung und nicht ganz unproblematischer Parksituation) ist ganz traditionell-unspektakulär-altertümlich, niedrige Räume, Holzböden, blanke Wirtshaustische, robuste Stühle, schöne alte Holzöfen in jedem der Gasträume, Kassettentüren, Sprossenfenster, viele historische Stiche und Photos an den Wänden, im Keller ein Veranstaltungsraum, der auch für Kleinkunst-Konzerte genutzt wird, Biergarten hinter dem Haus, nur an den Toiletten und dem Lichtdesign merkt man, dass hier ein kluger Innenarchitekt am Werke war. Kurzum, es ist urig-ungezwungen-gemütlich, traditionell, nicht irgendwie Design-mäßig oder künstlich oder retro gestylt, sondern einfach – ganz mit Gertrude Stein – ein Gasthaus ist ein Gasthaus ist ein Gasthaus. Entsprechend unprätentiös – unprätentiös, nicht anspruchslos – gibt sich die Speisekarte. Einerseits gibt es da Schwäbische Klassiker wie Flädle- und Maultaschensuppe, Hergottsb’scheißerle (vulgo: Maultaschen), Kässpätzle, Zwiebelrostbraten, Lendchen in Sahnesauce; die Spätzle dazu sind – ein kleiner aber feiner Unterschied – nicht „hausgemacht“ („hausgemacht“ als Begriff sagt recht wenig aus, Spätzle und andere Speisen werden nur selten auf dem Rübenacker zubereitet, insofern sind fast alle Speisen „hausgemacht“ – in welchem Haus die Speisen allerdings zubereitet wurden, ob in dem jeweiligen Gasthaus – wie der Begriff suggeriert – oder in irgendeinem Industriebetrieb in irgendeinem Haus, darüber sagt der Begriff „hausgemacht“ absolut nichts aus, denn rechtlich ist dieser Begriff nicht geregelt), sondern „selbstgedrückt“, wie es sich für den Urenkel des Erfinders der Spätzlepresse gehört. Auch das Brot bäckt Pascal Fetzer selber, Maultaschen, Kartoffelsalat, Soßen, Salatdressings, alles selbst gemacht. Neben den Schwäbischen Standard-Klassikern gibt es jahreszeitliche und thematische Angebote, wie Wild, Linsen, Gänse, Spargel usw. und dann wird noch eine beachtliche Auswahl an eher „moderneren“ Gerichten angeboten, allerlei Salate natürlich für die Karnickel-Fraktion, oder Rote Rüben Suppe mit veganem Rahm-Ersatz oder Ofenfeta aus Schafsmilch mit Rahmwirsing und orientalischem Gewürzbulgur mit gerösteten Mandeln und Datteln oder gebackene Kartoffelrolle gefüllt mit Chutney von der getrockneten Tomate mit gebratenen Zucchini, Auberginen und Paprika in Tomatensauce. Das ist alles ordentlich und frisch gekocht, nicht weniger … aber auch nicht mehr, und „mehr“ will die Küche in der Krone auch gar nicht sein. Das ist keine kulinarische Pilgerstätte, wo man ehrfürchtig, dankbar, kritiklos und bewundernd die kunstvollen Küchen-Ergüsse des Kochgroßmeisters goutiert, die Krone ist ein Wirtshaus, wo man entspannt, gut, reichlich und dazu noch halbwegs gesund und ökologisch vertretbar isst und trinkt und seinen Spaß hat.
Um an dieser Stelle auf die – zugegebener Maßen schwülstig-salbungsvollen – Eingangsworte (über die ich lange mit mir gehadert habe) zurückzukommen: in einer Zeit, in der jedes Wirtshaus etwas Besonderes, Extraordinäres sein muss, vegan, XXXL-Schnitzel, äthiopisch, die schärfsten Currywürste der Welt, für AfD-Mitglieder verboten, das teuerste Steak der Welt, nach Mondphasen gekocht, … und welche distinktiven Merkmale Neu-Wirte sich hier immer ausdenken, die Krone ist nichts von dem. Sie ist einfach ein Gasthaus, wo man gemütlich sitzt und gut isst und trinkt, wo man gerne ist, wo man Mensch ist. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Danke dafür Schwäger Fetzer.
P.S.: Und nein, über den Bart wollte ich jetzt bewusst nichts schreiben, die Geschichten vom langen Bart haben mittlerweile einen langen Bart.
Krone Alt-Hoheneck
kultur.Alt-Hoheneck GmbH
Geschäftsführer Pascal & Markus Fetzer
Küchenchef Oliver Kull
Untere Gasse 44
71642 Ludwigsburg
Tel.: +49 (71 41) 2 39 48 77
E-Mail: info@kultur-althoheneck.de
Online: www.krone-alt-hoheneck.de
Hauptgerichte von 14,50 € (Hauptspeisen-Salat mit gebratenen Steinchampignons) bis 26,90 € (Zwiebelrostbraten mit Bratkartoffeln), Drei-Gänge-Menue von 25,50 € bis 52,70 €