Natürlich kann ich nicht über 2.000 Kilometer die amerikanische Westküste von Vancouver nach San Francisco entlangfahren, ohne auf der Reise gelegentlich das eine oder andere Kochbuch zu erstehen.
Als erstes zu erwähnen ist hier gewiss einer der modernen Kochbuch-Klassiker, wenn es um pazifische Fischküche geht, das „Blue Water Cafe Seafood“ von Frank Pabst. Pabst ist Deutscher, lernet bei Christof Lang in Aachen das Kochen, absolvierte dann die Ochsentour durch süd-französische Sterne-Restaurants, bis er 1994 nach Vancouver kam, wo es ihn nach verschiedenen Stationen 2003 in’s Blue Water Cafe verschlug, ein gehobenes örtliches Fischrestaurant. Unter seiner Ägide wurde das Blue Water Cafe rasch zu einer der besten, wenn nicht die beste Adresse für totes Meeresgetier in ganz West-Kanada. 2008 veröffentlichte Pabst dann zusammen mit seinem Sushi-Chef Yoshi Tabo das wahrscheinlich unvermeidliche Kochbuch zum Restaurant, das auf den ersten Seiten ebenso unvermeidlich und unnötig vorgestellt wird. Was dann folgt, sind durchdachte, gut nachkochbare und dennoch anspruchsvolle Rezepte für Fisch und Meeresfrüchte. Pabst ist bekannt dafür, keine überbordenden, hoch komplexen, kochtechnisch angeberischen Zubereitungen zu propagieren, aber seine Küche ist anspruchsvoll, verlangt beste und frische und möglichst lokale Zutaten, aber sie ist nicht unnötig komplex, sondern geradlinig. Arktischen Seesaibling etwa brät er an und serviert ihn mit Kohlrabi und Brokkoli in einer Beurre Blanc, alles veredelt mit Tonburi, einem kaviar-ähnlichen Samen aus Japan. Seeigel serviert er roh auf gebuttertem Toast. Strandschnecken – die gewiss nicht zu den begehrten, raren Delikatessen zählen – kocht und mariniert Pabst in einem ziemlich raffiniert gewürzten Sud und reicht sie mit Aoli. Komplizierter sind dann die Sushi-Rezepte von Yoshihiro Tabo, hier braucht man einfach mehr Kenntnisse und Können, was den richtigen und ansehnlichen Umgang mit rohem Fisch anbelangt.
Schade nur, dass die reichlichen Photographien von einem John Sherlock für ein Kochbuch weitgehend für’n Arsch sind. Die meisten Bilder sind schlichtweg hübsche Werbephotos aus dem und für das Blue Water Cafe oder aber l’art pour art Bildchen von kunstvoll angerichteten Tellern in Nah- oder Detail-Aufnahme mit unscharfen Hintergründen und Weichzeichnern. Sowas braucht kein Mensch in einem seriösen Kochbuch, vielleicht in einem belanglosen Durchblätter-Coffee-Table-Book, aber nicht in einem seriösen Kochbuch. Ein wirklichen Eindruck, wie die fertig zubereiteten Speisen in etwas auszusehen haben oder gar, wie die einzelnen Zubereitungsschritte gehen, liefert diese Art von Werbebildchen nicht.
Nichtsdestotrotz, bis heute ist das „Blue Water Seafood“ von Frank Pabst ein inspirierendes, noch immer Neues lieferndes Kochbuch mit gut erklärten, nachkochbaren Rezepten für Seefisch und Meeresfrüchte.
Frank Pabst: Blue Water Cafe Seafood Cookbook. Unter Mitwirkung von Yoshihiro Tabo (Autor), Jim Tobler (Autor), John Sherlock (Photograph). Madeira Park: 2009 (Douglas & McIntyre). ISBN-10: 1553653688, ISBN-13: 978-1553653684. Vergriffen, antiquarisch erhältlich.