Summa summarum: Wunderschöner, zünftiger Biergarten in wunderschöner Lage mit wunderschöner Aussicht, freundlichen Bedienungen, guter bayrischer Küche mit leichten Höhen und Tiefen, ohne grottenschlechte und ohne hervorragende Ausreißer nach unten oder oben, in Summe durchweg gut, eine sichere Bank bajuwarischer Gastlichkeit ohne internationalistische Unterwerfung.
„Hund samma scho.“ lautet ein alter bayrischer Spruch, letztendlich bedeutet das, dass man sich für ausgefuchst, clever, schlau, gerissen hält, und ich muss zustimmen, ausgefuchst, clever, schlau, gerissen sind die Bayern tatsächlich, zumindest was die Tarnung ihrer Biergärten anbelangt, ihrer guten Biergärten. Das Zahlvieh aus Touristen und Schicki-Mickis wird geschickt kanalisiert und abgeleitet, ins Gut Kaltenbrunn über dem und ins Bräustüberl am Tegernsee , auf den Heiligen Berg nach Andechs, zum Häring in Tutzing, … you name it, dort kann diese Art von Publikum keinen Schaden anrichten und gleichzeitig zur massiven Steigerung des bayrischen Bruttosozialprodukts beitragen mit der klaglosen Bezahlung von schlechten Schweinsbraten, Obatztem aus dem Fertig-Eimer, sparsam eingeschenktem Bier, patzigen Bedienungen und schöner Aussicht.
Die wirklich schönen, echten, authentischen Biergärten, die verstecken die Bajuwaren in der Regel. Die stehen kaum in den sozialen Medien, und wenn, dann ungewollt, gekaufte Fake-Bewertungen und -Klicks, SEO und SEM sind hier Fremdworte, man braucht das nicht, Gasträume und Garten sind sowieso meist voll, auch ohne Werbung und Fremde, und ist mal nicht so viel los, so jammert man nicht seitens der Wirte, sondern freut sich, dass mal weniger zu tun ist, dass man endlich mal die Reparatur am Zaun machen kann oder ganz einfach ein wenig verschnaufen. Die meisten dieser Wirtshäuser sind im Familienbesitz, seit Jahrzehnten oder seit Jahrhunderten abbezahlt, keine Hypotheken, keine Wucher-Pachten, nur Unterhalts-Reparaturen und – natürlich – Modernisierungen und Erweiterungen, dazu ein funktionierendes Netzwerk mit örtlichen Hausfrauen, Studenten, Metzgern, Bäckern, Bauern, Brauern, dem Herrn Pfarrer, die helfend spontan und kompetent einspringen, wenn’s mal eng wird mit Personal oder Nachschub, das ist ein ganz anderes Wirtschaften als bei einem frisch zugereisten Gastronomen in der gepachteten Wirtschaft. Hört sich fast an wie ein Anakreon der Gastronomen, gibt es aber tatsächlich.
Einer dieser versteckten, schönen Biergärten ist das Klosterbräustüberl Reutberg im Franziskanerinnenkloster Reutberg , knapp 50 Kilometer südlich von München, ziemlich abseits, aber idyllisch am Kirchseemoor gelegen. Bemerkenswert ist hier zuerst einmal die örtliche Brauerei, ein der letzten bayrischen Brauereien, die als Genossenschaft betrieben wird. Aus der Not geboren gründeten 42 Bauern aus Sachsenkam, Reichersbeuern und Greiling unter der Leitung von dem Pfarrer Alois Daisenberger 1924 die Klosterbrauerei Reutberg eG, um den Einheimischen den Zugang zu erschwinglichem Bier zu ermöglichen. Diese Genossenschaft besteht bis heute, hat mittlerweile über 5.000 Genossen, darunter Ilse Aigner und Friedrich Merz, und produziert gar vorzügliches Bier, das im Klosterbräustüberl frisch vom Fass ausgeschenkt wird. Das Klosterbräustüberl selber ist seit 2010 an Bernhard Haindl und Georg Lichtenegger verpachtet, die hier gleichbleibende ordentliche Küchen- und Service-Qualität für ihre Gäste garantieren. Der Biergarten zwischen Klostermauern und Weiden mit Blick auf Kühe, Moor und Alpen ist rustikal-zünftig-authentisch, rustikaler-zünftiger-authentischer ginge gar nicht. Der Parkplatz für mit dem Wagen anreisende Gäste ist zwar direkt neben dem Biergarten und auch für Fußkranke geeignet, aber Dank der Lage weder sicht- noch nennenswert hörbar. Grölende Amis, knipsende Koreaner, besoffene barbusige Australierinnen und mit Porsche-Schlüssel spielende Schicki-Mickis in überteuerten Phantasie-Trachten fehlen in Reutberg gänzlich als Publikum. Stattdessen sind die heimischen Bauern hier in abgewetzten, speckigen Lederhosen oder einfach in Arbeitskluft, junge Familien mit Kindern, verschwitzte Radler, müde Wanderer, die örtlichen Burschen und Mädels beim Anbandeln, das ganze pralle lokale Leben, gespickt mit ein paar angereisten Städtern wie uns, aber wir gehen hier eher unter, in diesem ländlichen Tableau, denn es zu dominieren und zu ver- und zu entfremden.
Und ich muss sagen, grad schön ist es hier. Die Bedienungen sind getrachtet, freundlich, flott, aufmerksam und der deutschen Sprache oder zumindest des bayrischen Idioms fließend mächtig. Die Reutenberger Klosterbiere sind süffig und gut eingeschenkt. Das Ambiente und der Ausblick sind zünftig und schön. Die Speisen sind groß portioniert … und durchweg ordentlich bis gut, über diesen Teilsatz habe ich jetzt lange nachgedacht, aber alles von „hervorragend“, „exzeptionell“, „genial“, „unvergleichlich“ wäre Lüge, das hier ist ordentliches, ehrliches Biergartenessen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Sehr positiv fällt gleich eingangs auf, dass man hier auf Unterwerfungsrituale unter den internationalistischen Einheitsgeschmack in Form von Burgern, Pizzen, Flammenkuchen, Steak usw. vollends verzichtet, hier wird durchweg bayrisch gekocht, punktum, hier gibt’s Schweinsbraten und Grillhendel, Schnitzel und Fleischpflanzerl, Brotzeiten und Würstel, Obatzen und Spätzle mit Sauce für die Kinder, Spargel im Frühling, Salate im Sommer, Pfifferlinge im Herbst, Gans und Ente im Winter. Der Hühnereintopf besteht aus guter, aber trüber Hühnerbrühe, sehr, sehr viel gut filetierten Hühnerfleischbrocken ohne jedes Fett, Haut, Knorpel und … total zerkochten, fast schon breiigen Gemüsestücken und tatsächlich breiigen Nudel. Die ganze geräucherte Forelle (von der Fischzucht Sappl am Mühlberg) ist eine richtig gute geräucherte Forelle, der kleine Salat dazu sehr gutes, gemischtes frisches Grünzeug, sehr gut geputzt, nur leider ohne Dressing, und der Meerrettich tatsächlich frisch gerieben und höllisch scharf. Der 12 Stunden gegarte Ochsenbraten von der Hochrippe ist ein sehr ordentliches Drumm Fleisch, mürbe, wohlschmeckend, zart, die Sauce ganz ok, interessant mit Koriander, der Knödel ok, das Blaukraut labbriges Zeugs, wahrscheinlich aus der Dose. Die Kässpätzle stinken mächtig, der Käse ist gut, die Röstzwiebeln darauf kommen frisch aus der Pfanne. Im Frühling gibt’s Spargel, der ist gut, manchmal allerdings zu weich gekocht, die Hollandaise dazu garantiert aus der Tüte, schade. Die Tütensauce wird wettgemacht im Herbst, wenn’s wieder Enten gibt, das sind riesen Trümmer, tatsächlich ein „ganzer halber“ Vogel, gut gebraten, resche Haut, zartes, aber zumeist recht trockenes, nichtsdestotrotz wohlschmeckendes Fleisch, ziemlich gutes Sößchen, wieder ordentlicher Knödel, wieder labbriges Blaukraut. Eine Show sind dann schließlich die hausgebackenen Torten und Kuchen, die in einer Art großen Hungerturm hinter Glas feilgeboten werden, solide, frische Landbackwaren, Apfel-Streusel, Käsekuchen, Datschi, alles in riesigen Stücken für kleines Geld.
Klosterbräustüberl Reutberg GmbH
Bernhard Haindl und Georg Lichtenegger
Am Reutberg 2
83679 Sachsenkam
Tel.: +49 (80 21) 86 86
Fax: +49 (80 21) 50 78 81
Internet: www.klosterbraeustueberl.de
E-Mail: mail@klosterbraeustueberl.de
Hauptgerichte von 9,90 € (Kässpätzle mit Salat oder Saures Lüngerl mit Knödel) bis 18,90 € (Halbe Ente, Knödel, Blaukraut), Drei-Gänge-Menue von 17,90 € bis 31,30 €, Kindergerichte 3,00 € bis 6,60 €, Brotzeiten 5,30 € bis 13,50 € (Preise können je nach Jahreszeit und Tageskarte variieren)