Wir Deutsche sind tolerant. Nur beim Auto hört bei vielen von uns der Spaß auf. Die Deutschen legen so viel Wert auf ihre Fahrzeuge, dass wahrscheinlich schon die Kimbern und Teutonen sauberere Pferdewagen hatten als die alten Römer. So meinen hierzulande viele, dass jemand, der ein schmutziges Auto fährt, zwangsläufig auch dreckige Unterhosen trägt. Deshalb wird gesaugt, geledert, geschrubbt und poliert, dass Freud´sche Psychoanalytiker ihre wahre Freude daran hätten.
Heute ist auch bei mir ein Komplettprogramm fällig – Vollwäsche mit Wachs, Unterbodenschutz und Achsenpediküre. Eine lange Blechschlange züngelt sich zur Waschstraße. Vor mir im braunen Ford Fiasko sitzt ein echter Spießer – oder wie es die Soziologen heute nennen – ein „Wertkonservativer“. Und er ist schon weit rumgekommen in der nördlichen Adria. Deshalb hat er auf der Ablage keine Häkelmütze über die Klorolle gestülpt, sondern einen echten Strohhut. Endlich bin ich dran. Der Einweiser in der Waschstraße gestikuliert wild, er scheint wohl meinem Spiel mit der Kupplung nicht so recht zu vertrauen. Knacks, wieder über die Füße gefahren und vorbei am Schild: „Motor aus – Gang raus – Deutschlandfahne runter!“ Schon geht´s rauf auf´s Band und rein ins Dunkle. Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren und überhastet bremsen und Finger weg vom Scheibenwischer!
Es wird wieder hell, schnell runter mit dem Angeber-Kondom auf dem Heckscheibenwischer, jetzt geht´ s mit einem Klingelbeutel wie zur Weihnachtsmesse an den Münzsaugapparat. Klimperklimper. Die Wartenden hinter mir wissen gleich: Das kann dauern. Neben mir saugt schon einer. Der Bild-Aufkleber „Schwarz-rot-geil!“ neben dem Klassiker „Mein Auto fährt auch ohne Wald“ am Heck signalisiert: „Obacht! Hier reinigt ein Intellektueller sein Gefährt.“ Ein Wimpel vom TSV 1860 (Würg!) mit Saugknopf am Rückfenster befestigt, bestätigt meinen Eindruck. Auf der Ablage pendelt einer dieser spaßigen Wackeldackel, die schon vor fünf Jahren nicht sonderlich lustig waren. Am Innenspiegel hängt neben kleinen Boxhandschuhen und einem Wunderbaum Duftrichtung „Fichte Orange“ mehr Krimskrams als an der Weihnachtstanne von Mutter Beimer.
Als er die Beifahrertür öffnet und sich ins Auto bückt, gibt er schonungslos die oberen Ansätze der Glutaei maximi preis – auf Deutsch: seine Arschfalte schaut raus! Gegen diese Art Falten ist selbst die 12-Kilo-Trommel von Oil of Olaz machtlos. Jetzt wird ein Blick in den Innenraum möglich: Das reinste Milbenparadies. In seinem Mercedes 190er wird das Lenkrad mit Lammfell gewärmt. Sogar alle Sitze sind mit Lammfell bezogen. Wenn er hupt, macht es nicht TUUT, sondern MÄH.
Die alten Hustenbonbons, die letzten Winter unter den Fahrersitz geplumpst sind, klackern leise in meinem Sauger. Doch das hindert meinen Saugnachbarn nicht daran, sich über meine laute Musik zu echauffieren: „Bei dem Gedudel verstehe ich ja meinen eigenen Staubsauger nicht mehr,“ plärrt er rüber zu mir, während er in der einen Hand den Saugrüssel hält und mit der anderen die Hose wieder näher zu den Hüften zerrt. Na, wenigstens das Auto ist sauber.
P.S.: Testen Sie Ihr Wissen: Wie hoch ist ungefähr der Umsatz der Waschanlagen im Jahr in Deutschland?
a) 12 Millionen Euro
b) 120 Millionen Euro
c) 1,2 Milliarden Euro