Sieht man mal von den diversen Ikea-Kantinen – Restaurant möchte ich das wirklich nicht nennen! – ab, so sind die Berührungspunkte des statistisch repräsentativen Deutschen mit der Schwedischen Küche nicht wirklich reich gesät. Graved Lachs, Elchbraten, Knäckebrot, die sind allesamt gesamt-skandinavisches kulinarisches Gut, Smørrebrød ist nun mal Dänisch, Surströmming, dieser vergorene Hering aus der Dose, der ist tatsächlich originär Schwedischer Herkunft, nur wer will, wer erträgt den überhaupt, bleiben auf den ersten Blick tatsächlich nur Köttbullar, diese Hackbällchen mit Kartoffelbeimischung als typisches Schwedisches Gericht, und vielleicht noch die Krebse im Dillsud, die im August in Schweden traditionell bei großen Feiern mit Familie und Freunden, meist im Wochenendhaus oder auf dem Boot in großen Mengen verzehrt werden, immer nach dem Motto „Ein Krebs, ein Aquavit, ein Lied.“ (und – bei Gottfried – saufen können sie, die Schweden, obwohl der Schnaps dort so teuer ist).
Angesichts dieser massiven kulinarischen Unwissenheit kommt die Deutsche Ausgabe von Margareta Schildt Landgrens „So schmeckt Schweden“ gerade zupass. Schildt Landgrens ist eine renommierte Food-Autorin aus dem Südschwedischen Skåne, dem Deutschen Kochbuch-Publikum vielleicht bekannt durch ihr „Schweden-Kochbuch“, das 2013 auf Deutsch bei Gerstenberg erschien und das bis heute eines der hiesigen Standardwerke für Schwedische Küche ist und auch durch ihre „Die neue nordische Küche“, 2014 beim AT Verlag; und jetzt hat die Edition Lifestyle BusseSeewald ihr „Lagom svenskt“ von 2014 auf Deutsch veröffentlicht. „Lagom“, so klärt die Autorin in der Einleitung zu dem Büchlein auf, umschreibe auf Schwedisch am ehesten den Goldenen Mittelweg, nicht zu viel, nicht zu wenig, im Einklang mit den Jahreszeiten, der Natur und ihren Gaben, naturbelassen, einfach, saisonal, … ich bin kein Skandinavist, aber offensichtlich umschreibt dieses Wörtchen „Lagom“ ziemlich viel von dem, für das moderne Küche heute stehen will. Freilich fehlen in „So schmeckt Schweden“ ausgefallene und interessante Rezepte wie Frittierte Farntriebe im Teigmantel oder Fischsuppe mit Meeresalgen, die weiland die „Die neue nordische Küche“ so interessant machten, es ist auch kein Schwedisches Grundkochbuch, das man sich in’s Regal stellt wie etwa das Sacherkochbuch oder den Escoffier und damit die kompletten Basics der Wiener oder Französischen Küche ein für alle Mal Schwarz auf Weiß nach Hause getragen hätte, „So schmeckt Schweden“ ist vielmehr ein Buch, das Interesse weckt und das Lust macht, Lust auf neue kulinarische Entdeckungen und Erfahrungen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, ohne Anspruch auf Neues um jeden Preis, ohne Anspruch auf künstlerisch-gekünstelte Hochküche- Exzesse mit Sterne-Potential, ohne Anspruch auf vegan-öko-gluten-soja-bio-palmfett-lactose-guru-guru, ohne Märchen von der Omma und den Bauersfrauen und ihren geheimen Rezepten. Hier plaudert vielmehr eine routinierte Food-Autorin vollkommen unverkrampft und entspannt im Hier und Jetzt über kulinarische Allgemeinplätze der Küche ihrer Heimat, und das kommt zuerst einmal unglaublich authentisch und sympathisch rüber. Wenn die Autorin in diesem Plauderton dann allerdings en passant schreibt, man solle einen Hummer schälen (sic!) und die Leber herausnehmen oder Gräten aus dem Lachsfilet entfernen, dann merkt man sehr schnell, dass es sich hier um kein Kochbuch im üblichen Sinne handelt. Für jemanden, der weiß, wie man bei einem Hummer die Leber findet und wie man sie entfernt ist dieses Buch viel zu weitschweifig, für jemanden, der es nicht weiß, ist es viel zu oberflächlich. Andererseits, die Idee (oder Technik) Huhn in ungesüßtem Rhabarbersaft zu marinieren, das ist ganz famos, erinnert etwas an Verjus und ist doch ganz anders. Kräutlein wie Giersch, Bronzefenchel, Moltebeeren werden hier als ganz natürliche, preiswerte, wildwachsende Gewürze verwendet und nicht als vermeintlich neu entdeckte, hyper-hippe, super-teure Mode-Pflanzen von Bosfood oder vom angesagten In-Bio-Gärtner. Und Vogelbeer-Apfel-Gelee lässt süßeste Erinnerungen an Omas Vorratskammer aufkommen, mit der bis heute kein Feinkostladen-Regal mithalten kann. Hier sind wirklich zum Teil ausgefallene, originelle, regionale, nachkochbare, gut erklärte Rezepte vereint, wenngleich das eine oder Rezept, zum Beispiel die Zimtschnecken oder der Graved Lachs schon im „Schweden Kochbuch“ zu finden sind, aber man muss das Rad ja nicht immer wieder neu erfinden. All das macht dieses Buch liebens- und lesenswert. Dazu passen die schönen und stimmungsvollen Photographien dazu von Christina Uhlin, fast jedes Rezept ist mit einem Bild versehen, wobei es sich oft weniger um Kochhilfen oder Bilder vom fertigen Gericht handelt, sondern einfach um schöne Bilder, ein Stück gebeiztes Elchfleisch mit Wacholderbeeren und Lorbeerblatt oder einen gekochten Hummer in Nahaufnahme zum Beispiel; die Bilder sind so hübsch, dass man sogar verzeihen mag, dass zum Rezept für gekochte Krebse eine Tüte voller Langusten abgebildet wird.
Margareta Schildt Landgren: „So schmeckt Schweden – Die besten Rezepte für jede Jahreszeit. Lagom – kochen und genießen in Balance“ Photos von und Christina Uhlin. Deutsch von Marie-Luise Schwarz. Lifestyle BusseSeewald im frechverlag. Stuttgart 2018. 19,95 EURO