Summa summarum: altehrwürdiges Stadthotel in genialer Innenstadtlage mit Patina und „Terroir“, beeindruckender Speisesaal, aber ansonsten leider weitgehend heruntergekommen, großer Renovierungsstau mit abgewetzten Möbeln und durchgelegen Betten, überfordertes, oft unqualifiziertes, hilfloses Personal, die Küche gibt sich ambitioniert, ist dabei vollkommen erfolglos, das Essen ist schlichtweg mäßig bis schlecht und seinen Preis nicht wert, entsprechend mäßiges Frühstück, und das unter den Augen des Wirts-Ehepaares.
Caro schäumt vor Wut. Seit einem Monat sind die abgepackten 25 Gramm Leberwurst mit Schnittlauch von Rioba, die ungekühlt auf dem Frühstücksbuffet liegen, schon abgelaufen. Darüber mag man als verständiger, nicht über-kritischer oder gar chronisch nörgelnder Hotelgast schon mal hinwegsehen, doch Caro ist gerade kurz davor, Gewerbeaufsicht, Gesundheitsamt und Presse zugleich zu informieren, nur mit Mühe kann ich sie beruhigen, wir haben heute noch eine lange Tour vor uns, und ich habe keine Lust, den restlichen Tag in Xanten im Behördenkleinkrieg zu verbringen. Aber so ist Caro nun mal, gelassen, relaxed, nachsichtig, auch ausgesprochen großzügig bis zu einem gewissen Punkt, aber wenn dieser Punkt überschritten ist, wird sie zur Furie, und niemand mag wirklich dabei sein, wenn eine gestandene Wirtschaftsanwältin und Notarin, dazu noch ehemalige Richterin mit nach wie vor besten Beziehungen zu ihren Ex-Kollegen zur Furie wird, schon gar nicht auf der Seite, auf die sie losgeht. Aber irgendwie kann ich Caro ja auch verstehen, die zwei Tage im Hotel van Bebber in Xanten waren richtig schlecht, obwohl wir uns so auf den Niederrhein gefreut hatten, und das Hotel macht ja nun von der Papierform (heute spräche man wohl besser von der „Bildschirmform“) einen richtig guten Eindruck eines alten, nicht zu Tode renovierten, gemütlichen, historisch gewachsenen Stadthotels mit der Patina von Jahrhunderten von Gastfreundschaft und gelebtem Leben. Eindruck halt, die Realität ist anders. „Diese durchgelegenen, muffigen Betten, durchgescheuerte Stuhlbezüge, Schimmel im Bad, abgewetzte Uralt-System-Möbel, dazu diese blondierte, aufgedonnerte Sechzigjährige mit Highheels und viel zu engen Leggings über dem dicken Hintern, die im Lokal die Chefin gespielt hat, ohne nur einen Finger zu rühren oder anscheinend von irgendwas eine Ahnung zu haben, aber Leute rumkommandieren und die große Mackerin spielen, ich mag solche Leute nicht, schließlich noch dieses Pseudo-Futter aus Konserve und Tiefkühler im Restaurant, und jetzt das, abgelaufene Leberwurt auf einem durch und durch miesen Frühstücksbuffet.“ Oh Mann, Caro ist wirklich in Rage. „Wer ist hierfür überhaupt verantwortlich?“, fragt sie, und beginnt, auf ihrer Funke herumzutippen. „Aha, ein Christian Hafner, steht her im Impressum. … Umsatzsteuer-Identifikationsnummer fehlt, das ist abmahnfähig. … Und die ganze Datenschutzerklärung ist ja Asbach Uralt, das ist ja sowas von abmahnfähig. Ich glaube, ich rufe jetzt mal einen Kollegen an und setzte ihn darauf an. Ein paar tausend EURO Abmahngebühren als Strafe für diese Tage ist ja wohl das Mindeste.“ „Caro!“, sage ich das. „Das Mindeste!“ sagt sie scharf, und sie blickt dabei vorwurfsvoll auf das kleine, hilflose, abgelaufene Leberwürstchen auf dem Frühstückstisch, quasi der personalisierte Überlauf-Tropfen.
Nun gut, das arme van Bebber hat ja auch eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Seit über 200 Jahren als Hotel nachgewiesen mit wechselnden Namen und wechselnden Besitzern, eine ellenlange Liste von Prominenz und Mischpoke führt die Hotelchronik als Gäste an, einerseits Napoleon, König Wilhelm IV., Engelbert Humperdinck, Elisabeth Flickenschild, Winston Churchill, andererseits Thomas Gottschalk, Angela Merkel, Joachim Gauck oder „Die Ärzte“. Nach fast 100 Jahren im Besitz der Familie van Bebber übernahmen 1989 Getraude van Dreveldt und Anne van Dreveldt-Trautmann das Haus, erfolglos, zum Schluss waren die legendäre Keller- und Veranstaltungs-Kneipe Namens de Kelder ebenso wie das Restaurant des Hotels geschlossen, das van Bebbern zu einem Hotel Garni verkommen, mit einem gigantischen Renovierungsstau und einer Liquidations-Bilanz mit weit über einer halben Million Schulden. Sowas ist nicht schön, weder für die Betreiber noch für das Hotel. Dann übernahmen besagter Christian Z. Hafner und seine Frau Iris Elfriede das Haus und eröffneten es 2016 nach einigen Renovierungsarbeiten neu. Heute erstrahlt der große Speisesaal, das Fürstenzimmer, in authentisch-renoviertem Glanz, ein wirklich beeindruckender Raum, in dem man gerne – gerne, nicht gut – speist. Der Rest des Hauses hat Patina. Da mag hier mal gestrichen, dort mal eine alte Installation ausgetauscht worden sein, dem Vernehmen nach ist die Küche neu gemacht worden, aber ansonsten sieht man nicht, dass der Renovierungsstau deutlich abgenommen hätte, Caros Schimpfkanonade ist da leider völlig berechtigt.
Der kleine Hotelparkplatz kreuz und quer zugeparkt, wir müssen uns in der Innenstadt selber einen Parkplatz suchen, nicht einfach, aber zeitaufwändig. Die Rezeptionistin hinter ihrem altertümlichen, sehr schönen Tresen super-freundlich und flott, die uralte Holztreppe und der nicht ganz so alte Lift knarzen und knacken um die Wette, wenn man sich nach oben zu den Zimmern begibt, die Möbel dort alt, nicht romantisch-gemütlich-alt, sondern abgewohnt-schäbig-alt, unter dem Bett eine dicke, fette Wollmaus (ich frage mich ehrlich, wie man wohl putzen muss, um solch ein Monster auf Dauer zu übersehen und so groß werden zu lassen, ganz gewiss fängt sie bald an zu beißen), die Bäder asbach-uralt, Schimmel in der Ecke, Duschkopf völlig verkalkt. Bei allem Verständnis für die finanzielle Situation von Gastwirten – ich weiß, es ist schwierig, ein Haus mit Jahrzehnte-langem Renovierungsstau zu übernehmen und dann die finanziellen Mittel aufzubringen, gleich alles in einem Schlag zu erneuern, das können i.d.R. Regel nur Hotel-Ketten, und die renovieren dann gleich alles zu Tode, das will man ja nun auch nicht – das sieht eindeutig nicht danach aus, dass hier Stück-für-Stück renoviert würde, das sieht für mich danach aus, dass hier eine vorhandene Hotelsubstanz ausgelutscht wird, so lange es halt geht, solange man Geld rausziehen kann, und dann die Sintflut oder so ähnlich.
Und dann das Hotel-eigene Restaurant: Die Speisekarte gibt sich ambitioniert, wenngleich viel zu groß, als dass das Alles wirklich frisch sein könnte. Und dazu ist die Karte gesichtslos, ich wüsste nicht, wie ich diese Küchenrichtung mit Tafelspitz und Scampi Risotto, mit Hirschgulasch und mediterranem Kabeljau, mit Carpaccio und Sauerbraten beschreiben sollte, es ist dieses ganz typische kleinstädtische „Wer vieles bringt wird manchem etwas bringen.“, wenn dem Herren Doktor aus Xanten ganz bodenständig nach Endivien “ untereinander“ mit gebratener Blutwurst ist, die Gattin aber weltgewandt nach Fettucine“ Scampi pepe verde“ aus hausgemachten dünnen Bandnudeln mit Scampi in Chardonnaysauce mit grünem Pfeffer verlangt, dann ist diese Speisekarte gewiss passend. Aber jeder, der mal in eine Restaurant-Küche gearbeitet hat weiß, dass man in einem Kleinstadt-Lokal mit begrenztem Durchsatz und begrenzter Küchenkapazität niemals 1 Dutzend Vorspeisen, Salate, Suppe und 2 Dutzend Hauptgerichte wirklich frisch und ohne tricksen auf der Speisekarte haben kann. Und so kommt’s dann auch: der Flusskrebs Cocktail mit Artischockenherzen besteht aus Convenience-Flusskrebsen mit Artischocken aus der Dose, darüber eine Cocktailsauce von der der Koch – Josef Paposevic, ein 26 jähriger Kroate, der sich damit brüstet, auf der Yacht eines russischen Oligarchen, dessen Namen er aber nicht nennt, gekocht zu haben (warum muss ich jetzt an Michele, meinen sizilianischen Freund denken: „Da, wo ich herkomme, sind Leute schon aus weitaus geringeren Gründen ermordet worden.“, pflegte er zuweilen zu sagen.) – schwört, er habe sie selber gemacht; nun gut, ich würde ja nicht ohne Not zugeben, dass ich sowas verbrochen habe. Dünnes Rindssüppchen, nicht bräunlich-klar, sondern weißlich-trüb, die Einlage-Klößchen nie und nimmer selber gemacht, das darüber gestreute Grünzeugs vertrocknet. Die Schnecken selber vorzüglich, frische Ware, nicht aus der Dose, die Café de Paris Butter, unter der sie überbacken sind, ein dünnes, oben zum Teil unter dem Salamander verbranntes Sößchen, das aber auch so gar nichts mit der im Café de Paris in der Rue du Mont-Blanc in Genf servierten Buttermischung zu tun hat, du auch hier schwört Paposevic, dass er die Sauce selbst gemacht habe und dass das so gehöre; na gut, wenn er meint, ich streite mich hier nicht rum, dazu gibt’s kalte, irgendwann mal leicht getoastete Ecken von Fabrik-Toast. Caro lässt ihre Ravioli „van Bebber“, angeblich hausgemachte Nudeltaschen gefüllt mit Ricotta und Spinat in Rucola-Chili-Pesto und dicken Schmutzstreifen von billiger industrieller Balsamico-Creme nach ein paar Bissen zurückgehen. Das Lammcarrée totgebraten, grau und trocken, bei Kartoffelbrei und Bohnen bin ich mir der Herkunft nicht sicher, aber beide mit Haut, die standen wohl zulange unter dem Wärmestrahler. Der Kabeljau „Mediterran“ ebenfalls totgegart, nichts von glasig, dafür aber jede Menge Gräten in den auseinanderfallenden Fischbrocken, Tomatensauce so la-la. Gut essen geht irgendwie anders.
Hotel van Bebber
Christian Hafner
Klever Straße 12
46509 Xanten
Tel.: +49 (28 01) 66 23
Fax: +49 (28 01) 59 14
E-mail: info @ HotelvanBebber.de
Internet: www.HotelvanBebber.de
Hauptgerichte von 13,50 € (Ravioli „van Bebber“) bis 29,50 € (Rinderfilet), Drei-Gänge-Menue von 25,50 € bis 51,50 €
DZ Ü/F 109 € bis 129 € (pro Zimmer, pro Nacht) (bei Buchung über Hotelportale oft viel billiger, z.B. 89 € bei hrs)
Das sagen die Anderen:
Dehoga-Klassifizierung: 4 Sterne
Guide Michelin (Booktable) Inspektoren: n.a.
Guide Michelin (Booktable) Gästebewertungen: n.a.
Gault Millau: n.a.
Gusto: n.a.
Schlemmer Atlas: n.a.
Varta: n.a. (Restaurant); 2 von 5 Diamanten (Übernachtung)
HRS-Klassifizierung: 4 von 5 Sternen; HRS-Kundenbewertung: 8,5 von 10 (bei 104 Bewertungen) , 94% Weiterempfehlung
Booking.com-Klassifizierung: 4 von 5 Sternen; Booking.com-Kundenbewertung: 8,5 von 10 (bei 258 Bewertungen)
Holidaycheck: 4,3 von 6 Sternen (bei 16 Bewertungen)
Yelp: 4 von 5 Sternen (bei 1 Bewertung)
Tripadvisor: 4 von 5 Punkten (bei 56 Bewertungen)
Google: 4,2 von 5 Sternen (bei 54 Bewertungen)
Lieber Hr. Opl,
jedenfalls hat mich heute morgen Ihr Bericht über dieses Hotel in Xanten am flachen Niederrhein zum Lachen gebracht. Es wurde von mir schon das eine oder andere Mal erwähnt, weshalb tun Sie sich das eigentlich an?
Während des Sommer waren wir ebenfalls am Niederrhein mit einem Ausflug nach Xanten. Gewohnt haben wir in Moers, hier in einem sehr netten Romantikhotel. Den nachfolgenden Bericht hatte ich bereits bei Google Maps veröffentlicht:
★★★★★ vor einem Monat
Wir waren im Sommer für zwei Tage in diesem sehr angenehmen Haus zu Gast. Wir hatten im oberen Bereich ein ganz neues Zimmer, eigentlich kann man von zwei Räumen sprechen. Ein sehr großzügiges Bad mit einer sep. Toilette, dies darf man als vorbildlich bezeichnen. Wir waren hier zu Besuch bei einem Freund, denn sonst gäbe es für uns keinerlei Anlass nach Moers zu fahren, jedoch muss ich feststellen, dass dieses Hotel in erster Linie ein Business-Hotel ist, was nicht tragisch ist, denn die geschäftlich dort anwesenden Personen bekommt man nur während des Frühstücks oder Abendessens mit. Auch die Küche möchte ich mit lobenden Worten erwähnen, hier arbeitet ein langjährig tätiger erfahrener Küchenchef, was man an einer ganzen Reihe gut gemachter Speisen feststellen kann. Weiterhin ist das Frühstücksbuffet sehr gut und reichhaltig bestückt, mit allem was der Mensch so gerne hat. Sollte es mich wieder einmal nach Moers in den Stadtteil Repelen verschlagen wäre meine Wahl ganz klar dieses Hotel.
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Antwort vom Inhaber vor 2 Wochen
Lieber Herr Daab, vielen Dank für Ihre Bewertung. Wir freuen uns sehr, dass es Ihnen bei uns so gut gefallen hat! Viele Grüße, Jens Welling